Nicht wegen sondern trotz

Ich muss da mal in einem Akt vorauseilenden Gehorsams was richtigstellen, was noch gar nicht falsch gestellt wurde. Es ist aber leider nur eine Frage der Zeit. Ich gehe also einfach mal davon aus, dass man Euch/uns spätestens am Montag von städtischer, staatlicher Seite wird weismachen wollen, dass der Polizeieinsatz im Rahmen von Blockupy ein Erfolg gewesen sei und weißgottwas verhindert habe. Blöd nur, ich war dabei.

Und deshalb ist es mir wichtig zu erzählen, dass die einzig erlaubte Demonstration am Samstag nicht wegen sondern trotz des massiven Polizeiaufgebots friedlich verlaufen ist. Das ist sie, weil die Veranstalter es wollten, weil die Teilnehmer es wollten und weil auch die Antifa/die radikale Linke es wollte – zum Glück.

Dass auch diejenigen, die die Exekutive angeleitet haben, sich eine friedliche Demonstration erhofften, das zu glauben fällt mir leider schwer. Ich bin am Samstag nicht auf der ersten Demo meines Lebens mitgelaufen, aber doch wohl auf der ersten, die so massiv unter Druck gesetzt wurde und auf der von Deeskalation seitens der Staatsmacht nichts aber auch gar nichts zu spüren war. Im Gegenteil. Der Demonstrationszug, der ohnehin rein landschaftlich kaum Optionen hatte, nach rechts oder links auszubrechen, war stets eingekesselt. Jede Seitenstraße war durch Hundertschaften gesichert und selbst entlang des Zuges gab es massive Aufgebote von Polizeikräften. Der Zug, bestehend aus jung und alt, aus GEW, Ver.di, die Linke, Attac, der Anitfa, Blockupy und vielen anderen, war jederzeit eingepfercht.

Aber dessen nicht genug. Aus meiner Sicht und ich behaupte aus Sicht eines vernünftigen Menschen, bedeutet Deeskalation, eben nicht dorthin zu gehen, wo das größte Gewaltpotenzial sitzt. Hat schonmal jemand Ultras in einem Fußballspiel präventiv eingekesselt? Weil, es hätte ja was passieren können? Genau so aber, hat die Staatsmacht am Samstag gehandelt. Dort, wo man den meisten Widerstand erwarten durfte, ist man massiv aufgetreten.

Der Demonstrationszug war kaum gestartet, da erhielt die Antifa ein Spalier – keinen roten Teppich. Vermummte, behelmte und mit Schilden und Schlagstöcken bewaffnete Polizeibeamte begleiteten den „roten Block“ durch Gassen, aus denen es ohnehin keinen Weg zur Seite gab. Die wiederholte Aufforderung der Organisatoren an die Polizei, den Zug zu verlassen wurden nicht nur ignoriert, stattdessen wurde sogar der Versuch unternommen, den Block von der Demo zu trennen. Entlang des Zuges, hindurch und quer durch ihn liefen schlecht gelaunte Beamte, mit denen man keine Diskussion anfängt – wie gesagt: vermummt und in voller Montur.

Dieses Vorgehen aber widerspricht, aus meiner Sicht, so vielen demokratischen Grundlagen, dass ich nicht anders kann, als es hier anzuprangern. Artikel 8 des deutschen Grundgesetzes erlaubt Demonstrationen grundsätzlich. Sie müssen angemeldet, aber nicht einmal genehmigt werden, um rechtskräftig zu sein. Ganz offensichtlich gibt es Möglichkeiten, dieses Grundrecht auszuhebeln, aber darüber wurde – für den Moment  – genug gesagt. Ich hoffe, es hagelt noch das ein oder andere Nachspiel an dieser Stelle. Aber dann gibt es eben noch die Unschuldsvermutung, die wir als große Errungenschaft so plakativ vor uns her tragen und die im Zusammenhang mit Blockupy eben auch nicht angewendet wurde.

Die Stadt blockierte sich selbst, sicher nicht wegen einer Unschuldsvermutung, sondern einen Popanz von radikalen Linken an die Glastürme malend, der offenbar genügte, um die Reisefreiheit von Frankfurter Bürgern einerseits und andererseits von jenen aus der ganzen Republik, die es wagen wollten ihre Meinung kund zu tun, einzuschränken. Und sie (diejenigen, die als „die Stadt“ sprechen) haben versucht und werden versuchen, etwas zu kriminalisieren, das nicht bedrohlich war.

Natürlich gibt es Schwachköpfe, die eine solche Gelegenheit nutzen, um Schaufenster zu zertrümmern, aber ebenso natürlich gibt es Schwachköpfe, die einen Stadionrasen stürmen, weit bevor das Spiel zu Ende ist. Schwachköpfe, gewaltbereite, gibt es immer und überall. Aber ich werde nicht hinnehmen, dass eine Stadt ihren Betrieb einstellt, Stadtviertel unzugänglich macht, S- und U-Bahn-Stationen sperrt und republikweit Polizeikräfte zusammenzieht, weil etwas passieren könnte.

Die Präsenz der Staatsmacht an den Blockupy-Tagen war einem Terroranschlag, einer Entführung, einer Bombendrohung oder ähnlichem angemessen. Ich habe nicht grundsätzlich etwas dagegen, beschützt zu werden. Aber hier wurden nicht Menschen beschützt, Bürger Frankfurts oder Gäste in z. B. Botschaften. Die Verantwortlichen haben Glasfassaden beschützt und so noch einmal jedem, der es noch nicht verstanden hat, deutlich gemacht, worum es den „demokratischen“ Handlangern geht. Die Stadt Frankfurt und der Innenminister Hessens, der glücklicherweise nicht unser Bürgermeister wurde, haben Bürgerrechte beschnitten und ausgehebelt, um die Fassaden von Banktürmen zu schützen.

Und so ist es „nur“ konsequent und logisch, dass dieselben Arschlöcher versucht haben und versuchen mussten, ihre Eskalation bei der friedlichen Demonstration am Samstag endlich zu bekommen.

Ich möchte so nicht denken, ich möchte die andere Seite der Medaille sehen, aber ich kann es nicht. Polizeibeamte wurden auf eine Weise in den Demozug geschickt, die als Provokation verstanden werden musste und sollte. Und so ist es eben nicht deren Präsenz zu verdanken, dass die Situation nicht außer Kontrolle geriet, sondern einzig der Besonnenheit der radikalen Linken. Ich gebe zu, dass ich Besonnenheit an dieser Stelle nicht erwartet hatte und bin dankbar, dass hier von der angeblich radikalen Seite mehr Sinn für die Situation zusammengebracht wurde, als von der Staatsmacht.

Die „Radikalen“ waren es, die offenbar verstanden hatten, dass man eine Demo nicht kippt, in der Kinder und Familien mitlaufen und dass es die richtige Strategie sei, zu deeskalieren und etwaige Gewaltprognosen nicht zu bestätigen. Und es macht mich froh und dankbar, dass sich der Aufmarsch an Polizeikräften als genau so absurd bestätigt hat, wie er nunmal war.

Deshalb kann die einzig logische Konsequenz aus den Notstandsgesetzen des Blockupy-Wochenendes nur die sein, dass sowohl Boris Rhein, als verantwortlicher Innenminister sowie der Frankfurter Ordnungsdezernent Markus Frank demütig ihre Ämter niederlegen. Sie mögen sich vor der Idee der Demokratie und des Grundgesetzes einer postdiktatorischen Bundesrepublik Deutschland verneigen. Aber auch die Grünen und die SPD im Römer müssen sich fragen lassen, wo ihre klaren Absagen an das undemokratische Vorgehen der letzten Woche waren. Sich am Sonntag vor Mikrofone zu stellen, um zu bekritteln, was man vorher mittrug ist verlogen und ekelhaft. Allein die Linke hat sich hervorgetan, als Aufrufer, als Organisator und als die Kraft, die massiv gegen halbseidene Verbote vorgegangen ist. Die Linke hat die möglichen Auseinandersetzungen vor Gericht geführt und versucht, die Verbote von Blockupy zu vereiteln. Ausgerechnet jene Partei also, deren Demokratieverständnis gerne in Zweifel gezogen wird. Danke für das Engagement.

Wo waren eigentlich die Piraten? Liquid Democracy schlürfen, im Café um die Ecke?