Fremdenhass gibt es nicht.
Nun da ich Deine Aufmerksamkeit habe („Hat er das wirklich gerade geschrieben?“), können wir beginnen: Natürlich wird es immer Hasser geben, aber das halte ich nicht für das Problem. Der sich entladende Hass gilt niemandem im Speziellen. Er bleibt tumb und flexibel. Er ist sichtbar und berechenbar. Und wenn er sich Wege bahnt, dann kann man ihn aufhalten – und wenn man das kann, dann ist es eine Pflicht, dies zu tun. Hass ist stets en Vogue. Menschen, die mit sich selbst so unzufrieden sind, dass sie hassen wollen gibt es. Und bestenfalls kann man sie ausbremsen, bevor sie Gewalt anwenden. Aber das eigentliche Problem ist Fremdenangst.

Meine „on-the-fly“-Rechtschreibprüfung markiert „Fremdenangst“ als falsch. Dabei wäre sie der bessere Begriff. Denn der Hass, den wir kennen und erleben, entlädt sich all zu gerne dorthin, wo Dumpfbacke geringen Widerstand oder sogar Anerkennung erwartet. Und deshalb bietet es sich für Dumpfbacke an, gegen Ausländer zu demonstrieren. Fremdlinge zu hassen hat in Deutschland gute, nie ordentlich aufgearbeitete, Tradition.

Fremdenangst. Das ist gefährlich. Das ist bürgerliche Mitte und bleibt im Emotionalen. Sie ist nicht annähernd so greifbar wie der Hass. Sie ist ein „Wo fängt das an?“. Und vor allem ist sie nicht die Angst vor einer fremden Person, sondern die Angst vor allem, was fremd ist oder befremdlich. Und so bleibt sie diffus. Sie applaudiert im Stillen, sie fließt in die Gesetzgebung ein und sie formt Methoden der Exekutive. Immer leise, immer am Rande des Nicht-Auffallens, stets konform. Sie ist das Monster, von dem Du Deinem Kind erzählt hast, dass es unter dem Bett liegt und herauskommt, wenn Dein Kind nicht schläft. Und sie ist der Grund, warum Dein Kind nicht schläft – aber Du siehst es nicht.

Dieses Monster haben wir selbst erschaffen und wir füttern es täglich. Wir füttern es mit Facebook-Posts über herumlungernde Roma, mit dem Gefühl, dass jeder Flüchtling in Deutschland ohnehin mehr Zuwendung bekäme, als manch verarmter Deutsche, mit eigenartigen Ansichten in Sachen Kriminalität und mit eigenartigen Ideen, dass eine Öffnung der Ehe gleichsam bedeutete, dass nun Karl Otto seinen Schäferhund vor den Altar führt. Und immer wenn das Monster frisst, dann wundern sich alle darüber, dass es hungrig bleibt.

Aber was tun mit der Fremdenangst? Wie gesagt, sie ist diffus, sie ist schwer zu greifen und sie ist deshalb so gefährlich. Dennoch sind die Mittel dagegen nichts Überraschendes. Bildung hülfe. Und zwar eine, die den Namen verdient. Wenn wir in Schulen und Hochschulen nur noch lehren, wie man ein willfähriges Mittel des Bruttosozialprodukts wird, dann bleibt die Angst. Sie wird sogar noch verstärkt. Denn die Angst um die eigene Existenz mischt sich mit der Angst vor allem Fremden. Und natürlich tut sie das. Wer ohnehin in der Angst lebt, morgen seine Existenz zu verlieren, der ist anfällig für alle anderen möglichen Ängste. Und die Angst vor Fremdem ist fabelhaft bequem.

Bildung also, Aufklärung möchte ich es nennen. Klare Aussagen darüber, wie verschiedene Lebensweisen unsere eigene befruchten und unseren Horizont erweitern können. Solche Aufklärung hilft gegen die Angst vor Fremdem. Und Erfahrungen helfen gegen die Angst. Es ist ja kein Zufall, dass die Angst, vor allem das anders ist, immer ausgerechnet dort entsteht, wo dieses Andere nicht vorkommt. In westdeutschen Großstädten scheinen mir die Vorbehalte gegen z.B. Migranten oder Schwule und Lesben eher gering zu sein. Aber Wahlen werden auf dem Land gewonnen. Eine Politik, die tatsächlich auf das Wohl des Volkes ausgerichtet wäre, würde mutig zu Werke gehen und Entscheidungen treffen, die die Angst abbauen. Sie zu schüren und sich gleichzeitig als Dompteur für das Monster unter dem Bett anzubieten ist natürlich einfacher – es fehlt dem Vorgang einzig an einer Vision. Eckart Von Hirschhausen‎ hat einmal gesagt, das einzige in das es sich zu investieren lohnt, sind Bildung und Bindung. Ein kluger Satz, der auch hier Anwendung findet.

Erfahrungen wären wichtig. Und Erfahrungen können nur entstehen, wenn dem Begriff Integration endlich ein Handeln folgt. Der Begriff selbst wird strapaziert, aber die Umsetzung ist ein Skandal, kein Konzept. Ghettos bilden sich nicht von selbst. Sie entstehen, weil Planer Angst davor haben, unbequeme Entscheidungen zu treffen. Sie entstehen, weil Otto Normal Angst davor hat, dass Menschen, die es zu integrieren gilt, in seinem Vorgarten einen Blumentopf umschubsen könnten. Menschen, die möglicherweise verroht aus Kriegsgebieten in einen vermeintlichen Frieden geflüchtet sind und deren täglicher Umgang eventuell geschliffen werden muss. Das sei ihnen nicht vorgeworfen. Aber wie soll das geschehen, wenn „Integration“ meist nur meint, Nicht-Deutsche in Vierteln oder Heimen und Lagern unterzubringen, in denen sie unter sich sind? Es ist an uns, den Kreislauf von Angst und ängstlichen, der Angst unterworfenen und auf den ersten Blick profitablen Entscheidungen zu unterbrechen. Wer sich von der Angst leiten lässt, muss sich über Ausbrüche von Hass nicht wundern.

PS: Wenn ich mir die HOOLbrenner von WOW so anschaue, dann glaube ich übrigens, der „Untergang des Abendlandes“ ist eine sich selbst vollfüllende Prophezeiung.