FW: RE: FW: RE: RE: RE: FYI

Wenn man so zusammen sitzt – oder alleine – und die offensichtlichen Missstände beklagt, dann kann’s schon mal passieren, dass man ganz vergisst, was jeder von uns im Kleinen tun kann, damit’s im Großen und Ganzen schöner wird. Auch wir denken immer wieder darüber nach und sind uns bewusst, dass wir ein Teil der Produktions-/Konsumkette sind. Und deshalb mache ich jetzt den Next Knigge auf und darin Vorschläge, wie wir uns gegenseitig das Leben erleichtern können. Ganz klein, vielleicht ganz nützlich.

FYI, das ist – da sind sich die Webseiten auf denen man die Bedeutung von Abkürzungen nachlesen kann einig – das Kürzel für „for your information“ oder „for your interest“. Reichlich wörtlich bis sinngemäß übersetzt heißt das also „zu Deiner Kenntnisnahme/zu Deiner Information“. Irgendwie jedoch hat sich offenbar die Bedeutung so weit von der Übersetzung entfernt, dass ich „FYI“ heute mit „Mach Du!“ übersetzen würde. Liest man nämlich eine E-Mail mit dem „FYI“-Betreff – meist gehen solche zurück bis zur Erfindung des Rades – fällt irgendwann auf, dass die darin formulierte Aufgabe ins eigene Ressort/in die eigene Kompetenz fällt und gar nicht in die des- oder derjenigen, von dem sie „zu Deiner Information“ gesendet wurde.

Die E-Mail, von der man bis eben (na sagen wir bis vor einer halben Stunde, so lange hat nämlich sie zu überfliegen gedauert) nicht wusste, dass sie überhaupt interessiert, entpuppt sich plötzlich als Arbeitsanweisung – genauer als Arbeitsanweisungspuzzle.

Von unten nach oben empfängt man das etwa so: Ahja, Bangalore möchte das aktuelle Anzeigenmotiv in einer indischen Tageszeitung schalten. Aber warum fragen die das in Brüssel an? Da ist die Vorlage doch holländisch oder französisch. Haben wir nicht in Belfast eine internationale Vorlage? Ah, Brüssel leitet die Anfrage nach Belfast weiter. Schön zu lesen, die drei Arten von Englisch, das Indische, das Französische und Englisch eben. Gut, die Signaturen ständig nerven – man kommt so schlecht an die eigentlichen Informationen. Und das, wo doch „FYI“ dran stand. Wobei, die Signaturen gehen. Bei den Disclaimern in Englisch, Französisch, Niederländisch, Hindi und Panjabi wird’s unübersichtlich. Naja, man will ja kooperativ bleiben. Okay. Preise scheinen festgeklopft. Oh. Indien findet’s zu teuer. Belfast gibt ab nach Bochum. Huch, wer hat denn Beijing mit auf die E-Mail gesetzt? Welche Petze hatte die denn in Blindkopie? Belfast wird ausfallend. Nett, dass Bochum den englischen, unflätigen Teil nicht aus dem Verlauf genommen hat – Mann Mann Mann. Okay. Beijing droht mit Konsequenzen, Bochum schraubt am Preis, Belfast knickt ein, Budapest soll’s machen. Warum liegt das Ding denn dann jetzt bei mir? Weiter im Text. Jetzt auch noch Disclaimer in Mandarin und Ungarisch – scrollen de luxe … etwa drei Meter vertikalen mausens später ist dann auch klar, warum nun nicht Budapest sondern ich – aber Sie kennen das.

Auf ihrem Weg um die Welt hat so eine E-Mail allerlei Informationen gesammelt, korrigiert, verworfen, wieder aufgenommen, erneut korrigiert, erneut verworfen und ein paar auch ganz ausgelassen. Nur eines ist bei „Mach Du“-E-Mails garantiert: wichtige Informationen fehlen – also mindestens eine, das ist so sicher wie Murphys Gesetze eben sind.

Und weil das so ist, folgt nun der logische nächste Schritt: der Anruf beim Absender der FYI-E-Mail, dessen per Betreff postulierte Absicht war, Informationen zu teilen und/oder den Empfänger zu interessieren. Und Interesse wäre schon eine schöne Grundlage für das Weiterleiten gewesen – eine, die möglicherweise alles geändert hätte. Denn all zu oft wird doch die Frage nach den Informationen in der „Zu Deiner Information“-E-Mail sinngemäß mit „Ich hab’s nicht mehr gelesen“ beantwortet.
Wait, what?

Klingt blöd, is aber so. Dasjenige, das dem Empfänger mit der Abkürzung FYI Interesse unterstellt und gleichsam die Person war, die das ganze E-Mail-Herumgeschubse schon eine ganze Weile beobachtet und mitgestaltet hat, beschließt an einem Punkt X, dass nun alles wichtige geklärt sei und irgendwer sich um die Produktion/Umsetzung/Weiterbearbeitung kümmern möge. Und ab da ist’s nicht mehr zuständig – am liebsten bitte nicht mal mehr für Rückfragen.

Aber hey – und damit zurück zur Idee Next Knigge – es wäre spielend einfach, all die Verwirrung und Zeitverschwendung zu vermeiden. Wer ohnehin das ganze Spektakel mitverfolgt hat, benötigt vielleicht fünf Minuten, die wichtigen Informationen aus dem Verlauf herauszukopieren und oben noch einmal einzusetzen. Dabei merkt man auch gleich selbst, ob möglicherweise noch etwas wichtiges fehlt, das man noch ergänzen kann. Der FYI-Empfänger ist dann tatsächlich interessiert und muss sich eben nicht mehr durch ein Wust von Desinformation scrollen, um an die wichtigen Dinge zu gelangen. Fünf Minuten beim Sender also, die Rückfragen ausschließen, die beim Empfänger nicht nur Fragezeichen auslösen und die dafür sorgen, dass alles ein bisschen schneller und schöner läuft. Und es geht nicht um Effizienz – es geht um einen respektvollen Umgang miteinander.

PS: Apropos respektvoll – bei Überweisungen an Ämter, Behörden, GEZ, GEMA und andere Wegelagerer immer daran denken, als Verwendungszweck „Für sexuelle Gefälligkeiten“ einzutragen.