Nicht allzu geschätzte SPD, ich darf vorausschicken, dass es mir herzlich schnurz ist, auf welche Weise Du Dich pulverisierst. Ich muss respektvoll eingestehen, dass die aktuelle Methode von hoher Effizienz ist. Nur leider – und das ödet uns so an – ist sie so wiederkehrend und dabei mit immer weniger Rückgrat ausgestattet. Stinklangweilig!

Wiederkehrend und langweilig, weil sie – die aktuelle, wie die geübte Methode – stets mit dem Geschwätz von Verantwortung für Deutschland und der Idee einhergeht, man sei eine staatstragende Institution. Dabei ging und geht es stets um die Erhaltung der eigenen Macht und um Pöstchen – um Karriere eben. Dass dabei Wortbruch begangen werden muss und auch noch treueste Wählerlein sich die Hand vor die Stirn schlagen und abwenden, das alles scheint nicht so wichtig, solange man nur den eigenen fetten Arsch auf einen machtvollen Stuhl setzt.

Geht es Dir, SPD, wirklich um gar nichts mehr sonst? Deine aktuellen Vorturner sitzen im Willy-Brandt-Haus und brechen ihre Versprechungen. Wäre Karma eine Bitch, das Dach stürzte über ihnen zusammen, den rückgratlosen Lügnern. Willy Brandt, der ewige Held der SPD – ebenso geschätzt wie verraten – der Mann hatte tatsächlich Eier, war während der NS-Zeit im Untergrund und unterstütze die POUM im spanischen Bürgerkrieg gegen Franco. Derlei schafft Rückgrat und Haltung. Begriffe, die Schulz und Gabriel dringend nachschlagen sollten.

Ich frage Dich, SPD: Wie kannst Du nur? Wie kannst Du einen Parteivorsitzenden unterstützen, der offen wortbrüchig von Verantwortung faselt und für gar nichts mehr steht? Einen Parteivorsitzenden, der – Überraschung – nun doch ein Pöstchen im Kabinett Merkel nähme, bekäme er’s denn. Und machen wir uns nichts vor: Sollte noch irgendetwas sozialdemokratisches im Programm der Rokoko (ich kann’s nicht mehr GroKo nennen, dazu ist es einfach zu operettesque) übrig sein, dann Ministerposten. Du stehst hinter einem Parteivorsitzenden, der es wagt, die Ergebnisse der Sondierungen hervorragend zu nennen, nachdem er all die vorher so hochgehaltenen Positionen in den Orkus gekippt hat. Und Du vergibst dabei – langweilig, weil kennen wir schon – eine historische Chance.

Hättest Du, SPD, außer einem Willy auch Eier, wäre Angela Merkel nun Geschichte. Eine nicht-enden-wollende Amtszeit wäre endlich vorbei. Nicht dass ich glaubte, danach gäbe es eine neue Politik, aber ein winziger Lichtblick wäre das allemal – also wäre es gewesen, Du Schlampe, SPD! Wir wissen ja, Du hast Übung im Vergeben historischer Chancen. So ein winziges Bewusstsein für 1914 hätte/wäre/könnte ja bestehen. Auch damals musst Du Dich für staatstragend gehalten haben und in Verantwortung für Deutschland. Kriegsanleihen damals, Leopard-Panzer für den Irren vom Bosporus heute… Merkst Du nix?

Dabei, und das ist das Schlimme, hätte alles anders laufen können. Der CDU/CSU und Frau Merkel ging der Stift. Heute turnt sie ja schon wieder in der Welt herum, als sei sie tatsächlich und nicht geschäftsführend Bundeskanzlerin. Wer nimmt denn auch ernsthaft an, dass Du, SPD, jetzt noch die Kurve bekommst? Deine rechtsauslegenden Koalitionspartner ja offensichtlich nicht. Und was muss sich Glyphosat-Schmidtchen ins Fäustchen lachen, dass nicht einmal sein offener Bruch der alten Koalitionsvereinbarung zur mehr führte, als einem Naserümpfen. Mit solchen „Partnern“ ginge ich auch in eine Koalition, das ist leicht.

Wenn man nun aber tatsächlich annimmt, in Verantwortung und staatstragend zu sein, und wenn man weiterhin die soziale Gerechtigkeit wiederentdeckt hat und nun irgendwie von der ursprünglichen Idee abrücken muss, in die Opposition zu gehen, was gibt es denn dann zu verhandeln? Deine Position, SPD, war fabelhaft. Du wurdest ja regelrecht angebettelt in die Sondierungen zur neuen Rokoko zu gehen. Warum also überhaupt irgendeine Position verhandeln? Was für eine rückgratlose Zeitverschwendung! So gebauchpinselt und angefleht geht man mit einem Papier in die Sondierungen und sagt: Also wir machen das so oder gar nicht. Punkt.

Deine Partner: Eine zitternde Angela und eine CSU im Führungsstreit darüber, wer wohl der bessere sei, um am rechten Rand stimmen abzufischen. Da mögen sozialdemokratische (nach aktueller Lesart) Positionen drin sein, soziale sind es nicht, demokratische suchen wir auch mehr und mehr vergebens. Und Du setzt Dich mit den Pfeifen an den Tisch und gibst Positionen auf – staatstragend und in Verantwortung… ja für wen eigentlich? Für die eigenen Wähler/-innen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass die gerne verscheißert werden, selbst wenn sie sich längst hätten daran gewöhnen müssen. Für die Mitglieder/-innen? Den Twist bekomme ich nicht hin. Und für die „Nation“? Welche Art Vorbild soll das sein, das sich da das Recht herausnimmt, genau das sein zu wollen?

Davon, dass man Wortbrüche als Notwendigkeit verklärt, erlöschen sie nicht. Und wer ständig seine Position wechselt, hatte nie eine, die irgendetwas bedeutet. Ist das die verantwortungsvolle Botschaft an „die Nation“? „Macht was Ihr wollt, es bleibt ohnehin ungestraft. Hauptsache, Ihr seid anschließend reicher, mächtiger oder berühmter.“

Dein Nachwuchs, SPD, scheint die Botschaft schon verinnerlicht zu haben. Auch von den Jusos kommt nur leeres Getöse, einzig dazu angetan, mal auf sich aufmerksam zu machen. Inhalte? Da sind sie raus. Echte Forderungen? #noGroko muss reichen. Drohen können sie schon wie die Großen und wenn’s um die Umsetzung geht, sind sie auch schon genauso weit. Kevin Kühnert wirbt gegen die Rokoko und warnt vor massenhaften Parteiaustritten, sollte sie dennoch kommen. Oh, das klingt bedrohlich: Massenaustritte. Ist es aber nicht, denn sie werden nicht geschehen. Wie auch, wenn sie nicht eben von jenen Großmäulern organisiert werden? Wir sagen Herrn Kühnert eine ähnlich ruhm- und rückgratlose Karriere voraus wie Frau Nahles. Dass er mit wehender Fahne voran einen massenhaften Parteiaustritt organisiert… das ist so unwahrscheinlich, dass ich lachen muss, während ich den Gedanken aufschreibe.

Machen wir uns nichts vor, SPD, Du bist nichts als die willfährige Schlampe des Kapitals. Wenn Du überhaupt noch für irgendetwas stehst, dann für Sozialabbau. Du bist die Agenda 2010, Du bist HartzIV, Du bist die Einschränkung des Streikrechts. Nichts an Dir ist sozial und nur noch weniges demokratisch. Du bist geil auf das Regieren und auf die Posten. Du bist überflüssig. Und weil das – es wurde Zeit – nun auch die Letzten zu verstehen scheinen, wünsche ich einen schönen Niedergang und eine lustige Zeit in der absoluten Bedeutungslosigkeit. Happy PASOKification. Wir werden kein Tränchen verdrücken, nicht das winzigste.

Adieu!