Kommt aus der Box!

Liebe NGOs, Ihr leistet ja wichtige Arbeit, aber gerade im Zusammenhang mit den europäischen Waffen für den Jemen-Krieg frage ich mich: Warum denn mit angezogener Handbremse? Die Debatte müsste ganz anders geführt werden.

Zuerst müssen wir uns bei www.disclose.ngo dafür bedanken, dass sie Regierungsdokumente geleakt haben, aus denen klar hervorgeht, dass die französische Regierung sehr wohl wusste, dass und welche ihrer Waffen im Jemen eingesetzt werden. Schade, dass man die Nachricht leicht verpassen konnte und dass eine Internet-Suche nach „disclose“ die NGO auch nicht gerade an erster Stelle listet. Aber gut, meine Erwartungen an Mainstream-Medien und Suchmaschinen sind jetzt nicht sooooo hoch.

Und dennoch, der Fokus der NGOs im genannten Zusammenhang ist mir zu punktuell. Und ich fürchte, dass so andere Waffenlieferungen legitimiert werden, ausgerechnet mit Hilfe der NGOs. Ohnehin gehört Minister*innen, die behaupten gelieferte Waffen würden nicht da und dort und nicht gegen Zivilisten eingesetzt wortlos eine gescheuert. Wer das kauft muss gegen einen Bus gelaufen sein.

Was willst Du uns weismachen, Mädchen? Dass französische Granaten zwar 40 km weit fliegen, dann aber umdrehen, wenn sie merken: „Oh, Zivilisten.“ Oder dass Panzer aus der EU im Jemen stehenbleiben, weil sie merken: „Der Sand hier fühlt sich aber nicht nach Libyen an.“ Das ist natürlich ausgemachter Blödsinn und eine Verklärung der Realität… es sind schon Menschen für weniger in die Klapse eingefahren.

Deshalb also Dank an die NGOs, die bewiesen haben, dass der Blödsinn Blödsinn ist, auch wenn’s nicht überrascht. Aber eben auch: Vorsicht NGOs. Befreit Euch dringend aus der Nomenklatur der Lügner*innen. Es ist wichtig, Rheinmetall und andere Waffenlieferanten wegen der Kriegsverbrechen im Jemen anzuzeigen, aber es ist so klein – shit-picking, sozusagen. Die gesamte Waffenindustrie gehört auf den Müll. Und wer ihre Nomenklatur und ihre verklärten Regeln übernimmt und sich innerhalb derer bewegt, läuft Gefahr, sie zu legitimieren. Da heißt es dann eben Verteidigungs- und nicht Kriegsministerium und dann ist die Rede von Waffen, die ausschließlich zur Verteidigung eingesetzt würden. Ja aber gegen wen denn, wenn alle großen Waffenlieferanten ausschließlich Waffen zur Verteidigung liefern? Da brauchen die Saudis schon ne Panzerbrigade, wenn mal einer mit ’ner AK47 vom Schwarzmarkt längs kommt. Ist und bleibt Blödsinn.

Lasst uns besser aufhören, uns auf den Jemen zu kaprizieren. Er ist die Spitze des Scheißbergs. Und es ist – das gebe ich zu – erstaunlich, wobei die Welt bereit ist zuzuschauen, und dass es erst den Tod eines in den USA lebenden Journalisten braucht, um überhaupt Bewegung in das teuflische Geschäft zu bringen. Die hieraus folgenden Forderungen sind zu klein. Der Krieg im Jemen ist eine unglaubliche Sauerei, aber die anders eingesetzten Waffen sind ebenso tödlich und widerlich. Die FridaysforFuture fordern nicht ein bisschen Klima, die Seebrücke nicht ein bisschen Seenotrettung und wir fordern nicht ein bisschen Demokratie. Und also müssen Waffenlieferungen insgesamt aufhören – nicht ein bisschen.

Aber auch hier zieht die Industrie die ewig gleiche Karte: Arbeitsplätze. Und Herr Lindner (ich überlege noch, ob ein Pfosten einen eigenen Artikel wert ist) hätte sicher Anmerkungen zur Finanzierbarkeit. In dieser langweiligen Argumentation findet man sich wieder, wenn man das Wording erstmal übernommen hat. Dann debattiert man das systemisch, wo man doch raus müsste, aus der Box. Wären all die Kupferstecher und Sattler von Dings auf Bums verarmt, hätten wir heute sicher andere Sorgen. Das ewig langweilige Geschwätz vom Verlust von Arbeitsplätzen gilt nicht als Argument. Strukturwandel nennt man derlei und wenn man nur wollte, man könnte sicher andere Dinge produzieren, als Waffen – Obstbäume wären z.B. nützlich. Strukturwandel jedenfalls sind nützlich und bestehende Industrien wird man wohl stets in solche zwingen müssen.

Also Ihr NGOs, raus aus den Gerichten und Amtsstuben. Klärt gerne großflächig auf, zeigt den ganzen Dreck auch noch dem letzten Realitätsverweigerer, aber lasst Euch nicht von Regelungen einfangen, die andere gemacht haben und nur diesen anderen dienen. Klärt auf und dann auf die Barrikaden – ich kenne ein paar „Aufgeklärte“, die gingen glatt mit.