Titelbild Keine Spiele

Der 17. August 2013 ist ein schöner Tag. Ein Sommertag wie er im Buche steht. Mit Fahnen, Rasseln, Trillerpfeifen und einem Banner ausgerüstet stehe ich am Straßenrand und warte, warte auf Freunde. Es geht zum CSD in Darmstadt. Rauchend in den Sommerhimmel blinzelnd stehe ich da, warte und denke an Moskau.

 

Moskau, auch so eine Stadt in der ich nichts zu suchen und auch nichts verloren habe. Ich bin schwul. Das reicht schon. Andere suchen da Anerkennung, Ruhm und Medaillen. Sie rennen, hüpfen, sie werfen Speere, Kugeln und Hämmer in der Gegend herum, springen weit und hoch, manche benutzen Stäbe, um noch höher und weiter zu kommen. Sie tun es für Applaus, sie tun es aus Ehrgeiz. Sie tun es. Sie tun es aus Sportsgeist, für Einschaltquoten, für die Funktionäre, für ihre Nationen, für Medaillen.

Sie tun es in Russland, sie tun es in Moskau, in einer Mega-Betonschüssel, und alle verfügbaren Kameras der „freien Welt“ sind mit dabei und begeistert. Junge durchtrainierte Körper in engen Trikots geben ihr Bestes und messen sich global miteinander. Sie tun es in einem Land, in einer Stadt, in der all das eigentlich verboten ist. „Homosexuelle Propaganda“ ist hier verboten. Aufreizend in kurzen Höschen, hauteng anliegenden Leibchen und sonstigen Sport-Dessous herumzutollen, das, das ist doch sexuelle Propaganda oder etwa nicht.

Ach was. Nein ist es nicht. Es ist Sport. Das hat mit Sex und Politik nichts aber auch gar nichts zu tun. Politik und Sex damit wollen die Sportler und die Funktionäre nichts zu tun haben und deshalb können sie ohne Zweifel zu Despoten fahren, über Tage hinweg halbnackt und aufreizend herumrennen, -hüpfen, -werfen, -stoßen und sonst tun was Sportler eben so tun.

Es ist ein schöner Tag. Ich warte am Straßenrand mit Fahnen und Banner, in die Sommersonne blinzelnd auf Freunde die mit mir zusammen auf die Straße gehen. Es geht um Sex, um unseren Sex, um schwulen Sex, um Sex also, der im Sport und in Moskau verboten ist.

Der Kranichbegleiter, Amphorentaucher und Halbnacktreiter Putin mag das Homozeugs nicht. Er mag singende Mädels in Kirchen nicht, er mag demonstrierende Menschen nicht. Gegen all das geht er vor, erlässt Gesetze, führt Verhaftungen und Schauprozesse durch und sperrt sie alle weg, die Störenfriede.

Er verwandelt dieses Land in einen Mega-Knast, lässt sich von grenzdebilen deutschen sozialdemokratischen Exkanzlern und Gashändlern „lupenreiner Demokrat“ nennen, hält schützend seine Hand über den Schlächter Assad, watet knietief in Blut in Azerbaijan und Tschetschenien herum und zu Hause richtet er medienwirksam Sportveranstaltungen aus. Ganz unpolitisch, ganz nach unserem Geschmack. Er mag, wie wir auch, halbnackt herumtollende, junge Menschen…

Sport ist nicht politisch. So. Das mit den Menschenrechten klären wir ein andermal.

Sport ist nicht politisch? Ist er doch, oder warum rennen, werfen und hüpfen die Jungs und Mädels am Ende eines Wettkampfs, mit Edelmetallen und nationalen Lappen ausgestattet, komplett betäubt vor laufenden Kameras, weltweit übertragen, herum. Schon klar, Sport ist nicht politisch… Iwo…

Die Freunde sind da. Sie sammeln mich ein, ein Küsschen hier und noch eins da, und los gehts. Nach der Begrüßung wurd’s gleich politisch, blieb den ganzen Tag über so, so sind wir halt, durch und durch politisch und schwul.

In Darmstadt angekommen entrollten wir unsere Fahnen und zogen mit mehreren Tausend Schwulen, Lesben und sonstwie Bewegten durch die sonnige Innenstadt. Frankfurt war eine Parade, Wiesbaden und Darmstadt, dass waren Demonstrationen und das war gut. In Darmstadt gab es auf einer Zwischenkundgebung zwei kämpferische Reden, eine davon, gehalten von „Rosa Opossum“. Die holte das Sportthema zurück in nicht nur meinen Kopf.

Die WM in Moskau lief noch, die olympischen Winterspiele in Sochi stehen noch aus. Die Boykottaufrufe der Community waren kaum gepostet, da waren allen voran der Drohnenkrieger, Dauerlauscher und Eliteunidemokrat Obama mit seinem Schoßhündchen Cameron vor den Mikrophonen und wiegelte ab. Boykott ist nicht zielführend, das mit den Menschenrechten machen wir ein andermal. Das hier ist Sport und der… Der Rest der „freien westlichen Welt“ und deren Restdemokraten stießen unisono in das gleiche Horn.

Wir indes demonstrierten gut gelaunt für unsere und die Rechte all derjenigen die in den sogenannten „Demokratien“ immer wieder und immer öfter unter die Räder geraten.

So. Jetzt noch einmal für die Langsamen. Kein Sport, keine Spiele, kein Sex und keine Geschäfte mit und bei Despoten. Alles klar?

Bis dahin treiben wir „Massensport“ auf den Straßen, denn Demonstrationen sind irgendwie unser Sport, ganz ohne Medaillen und nationale Läppchen über den Schultern.

PS: Wenn ihr unsere Boykottaufrufe und unsere Demonstrationen ignoriert, wenn ihr nach Sochi fahrt, dann schalten wir die Fernseher ab und boykottieren die Sponsoren eurer menschenverachtenden Allianz. Olympia geht anders. Sport war, ist und bleibt politisch – ihr korrupten Säcke.

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