It’s a feature
Früher, also vor der Wiedervereinigung, als es noch ein konkurrierendes System gab, da mussten Unternehmen noch so tun, als sei der Kapitalismus nett. Mit dem Wegfall der DDR und seitdem Russland entdeckt hat, dass Kapitalismus Geld ins Oligarchen-Täschchen spült, tut niemand mehr so. Und dann ist es folgerichtig, wenn man uns 5000 Flugzeuge mit einer Beta-Software über die Köpfe hängen möchte. Das gehört dann so.
Zugegeben, noch nix genaues weiß man nicht, aber wenn weltweit Flugverbote für die neue Boeing Max verhängt werden, dann darf man doch annehmen, dass die bisherigen Annahmen – also die, dass eine Software für ungespitztes in den Boden rammen verantwortlich sei – gut belegt sind. Oder glaubt jemand, über Amerika würde ein Flugverbot für amerikanische Maschinen verhängt, wenn sie nicht wirklich gefährlich wären?
Einzelfall… kann passieren, sagste? Just als ich begann, diesen Artikel zu schreiben, flog China das Chemiewerk Tianjiayi um die Ohren. Einzelfall… eher nicht. Während wir uns alberne Debatten über Pyrotechnik und deren „Gewaltpotenzial“ anhören müssen, verkürzen Unternehmen ihre Produktzyklen so, dass jedwede Sicherheit untergraben ist. Sicherheit ist im Profit-Zusammenhang einfach zu teuer und außerdem wird der Begriff vom Staat benötigt, um die Schäfchen ruhig zu halten. Sicherheit ist, wenn so genannte Gefährder nur flink genug abgeschoben werden können und Sicherheit ist, die Schäfchen auszuspionieren, abzuhören und mit Terrorismus-Popanzen zu verunsichern. Sicherheit in der Produktion und beim Produkt… so viel Zeit ist halt nicht, wenn man alle Furz lang was neues verkaufen will.
Mit der Nase voran in den Boden rauschende Flugzeuge sind keine Besonderheit. Sie machen nur eben mehr Aufhebens, als Software, die nach Ihrer Veröffentlichung ständig repariert werden muss, weil keine Zeit war, sie auf Herz und Nieren zu testen. Ich glaube, die einzige komplett durchdachte Software dieser Dekade steckt in Dieselfahrzeugen. Abstürzende Flugzeuge und explodierende Produktionsstätten sind die logische Konsequenz des Irrsinns, der mal Gewinnerwartung heißt, mal Wachstum und mal Profit. Hunderte und Tausende Tote sind in diesem Wahnsinn eingepreist. Wir bekommen das hier alles schon kaputt – mal im kleinen und hauptsächlich im großen Stil. Oder erkennt irgendjemand ernsthafte Bemühungen, die Klimaziele zu erreichen? Und übersieht jemand den Zusammenhang?
Wenn es nur noch um Wachstum, um Gewinnsteigerung, um Profit, um Geld geht, dann ist kein Platz für Menschen. Also für Konsumenten ist Platz, aber auch da verliert man hin und wieder welche, wenn ein Flugzeug in eine säuberlich gentrifizierte Stadt fällt. Im Großen und Ganzen aber läuft der Selektionsprozess doch ganz gut. Absaufende Inseln, wütende Orkane und Tsunamis haben wir ebenso in ärmere Regionen verlegt, wie all die Stellvertreterkriege, die wir führen und mit Waffen befeuern. Profit läuft.
Wenn aber Boeing in Zusammenarbeit und mit Wissen der FAA einen Flieger loslässt, dessen Software seine Nase nach unten zieht, wenn der Wind falsch weht, und wenn diese Institutionen sich nicht einmal mehr die Zeit nehmen, Piloten darauf zu schulen, wie man diese Software abschaltet, dann wäre doch das Maß voll. Dann verstehen wir, was da passiert und schreiben es gerne hier auf sowie den Verantwortlichen hinter die Ohren. Es fehlt aber der Aufschrei, das Abstellen-wollen, der kommunizierte Wille, nicht länger gefährdet und verarscht werden zu wollen. In Anbetracht solcher Vorgänge können und sollen wir den Protest nicht den Schüler_innen überlassen. Was muss denn konkret noch passieren, damit auch der/die Letzte aufwacht und sieht, was um uns und mit uns geschieht?