Letzte Woche berichtete arte:re von einer neuen paneuropäischen Partei namens VOLT. Und da ich arte:re sehr mag, wurde ich neugierig. Was ich fand, hat meinen Bullshit-Bingo-Zettel komplett ausgefüllt.
Lasst mich Euch meine kleine Ich-gucke-mal-was-die-wollen-Geschichte erzählen, die allerdings mit einer formalen Kritik beginnen muss. Kopf-Tisch-Momente teile ich nunmal zu gerne.
Von der Reportage angefixt begab ich mich gestern auf die deutsche Seite der Volt. Dort findet man anderthalb Absätze „über uns“, ein winziges Absätzlein überschrieben mit „Vision“ und drei Absätze „Geschichte“. So weit so dünn. Außerdem darf man auf der Seite gerne der Nutzung von Cookies zustimmen, spenden und mitmachen (wobei is ja nicht so wichtig) und es gibt einen Link zum Shop.
Der Marketingsprech hat mich gelangweilt, mitmachen, ohne zu wissen wobei, will ich sicher nicht, also hab ich mal auf den Shop geklickt. Shirts, Hoodies, Jacken, Tassen und die unvermeidlichen Handy-Hüllen gibts dort, mit allerlei Volt-Logos und -Schriftzügen. Wie progressiv. Sei’s wie, ich klick aufs erste Shirt und weil ich eine neugierige Natur bin, scrolle ich herunter zu den Bewertungen. 4,9 von fünf Sternen, bei 71 Bewertungen. Und wenn eine Reihe „verifizierter Käufer“ fünf Sterne für „OK“ oder „Bin total begeistert, ist zwar zu groß, aber somit mehrfach nutzbar. Zum Beispiel longshirt oder einfach als Minikleid“ vergeben, rümpft sich mein Näschen quasi automatisch. Also klick ich aufs zweite Shirt, scrolle herunter und sehe 4,9 Sterne bei 71 Bewertungen. Wait, what?
Also mal aufs Logo links oben, denn der Shop befindet sich bei „Teezily“ und mal wild auf weitere Shirts im Laden geklickt, die nichts mit Volt zu tun haben: Lauch, Spanien, RUN
Ihr ahnt es: 4,9 Sterne bei 71 Bewertungen. Dieselben „verifizierten Käufer“, dieselben Kommentare – simples Copy & Paste. Wie der Hesse sagt: Die verarsche die Leut. Update: mittlerweile sind wir bei all den Shirts bei 79 kopierten und eingesetzten Kommentaren und weiterhin 4,9 Sternen. Es ist eine Frechheit.
Wie aber zum Teufel kann die deutsche Sektion einer paneuropäischen Partei eine solche Scheiße bauen? Teezily ist eine US-amerikanische Webseite, die T-Shirts und anderen Nippes mit eigener oder eben „Deiner“ Gestaltung darauf verkauft. Man wünschte, so etwas gäbe es irgendwo in Europa! Und nach der Recherche durch die „Bewertungen“, kann ich die Seite nur als dubios bis betrügerisch bezeichnen. Und ich soll darüber nachdenken, solche Pfosten zu wählen?
Von der absurden Form also abgesehen und eigentlich schon vollkommen satt, habe ich mich dennoch zu den Inhalten gewagt. Marketing-Geschwätz, nicht gegendert, von pragmatischen Antworten und Effizienz faselnd, gespickt mit Rechtschreibern und natürlich weder rechts noch links positioniert, verkauft sich Volt als erste „Partei [die] mit einem länderübergreifenden Programm zur Europawahl“ antritt. Der Horizont reicht also zu amerikanischen Shirt-Verkäufern, aber nicht bis zu Diem25… So gewinnt man mein Vertrauen.
Das Gründungsdokument der Volt, die Amsterdam-Deklaration, liest sich folgerichtig, wie die Marketingbroschüre einer Unternehmensberatung: Bürgerbeteiligung, Transparenz, Sicherheit (natürlich), Wachstum, Digitalisierung, Unternehmertum, KI, Bildung und all das natürlich „nachhaltig“. Im englischen Original: Entrepreneurship, innovation, smart energy, sustainable agriculture – Bullshit-Begriffe, die mich stets Bröckchen lachen lassen.
Wir brauchen keinen neuen Zusammenschluss von Hipstern, die in halbhohen Hochschulen Marketing und BWL gelernt haben, aber nicht genug Eier, sich klar zu positionieren und die nicht verstehen, dass Wachstum und Klima natürliche Feinde sind. Irgendwann muss es doch auch ins letzte Hirn gebimst (meinetwegen ge-I-bimst) sein, dass man nicht wachsen und dabei das Klima retten kann. Wachstum benötigt Energie, Energie benötig Ressourcen, entnommene Ressourcen schwächen die Natur, zerstören das Klima – easy as pie!
Meine persönliche Lieblings-Headline im hodenlosen Matsch ist „Niemand wird zurückgelassen“. Nun sind wir also auch noch Captain Jack Sparrow. Vielleicht noch ein bisschen Piraten ins Gemisch? Die Grünen malen den Kapitalismus bereits an, die FDP versichert uns, er sei nett, die SPD will uns weismachen, es gäbe ihn auch in sozial gerecht – die teuflische Mischung aus all dem, liebe Volt, braucht kein Mensch. Geht bitte zurück in Eure WhatsApp-Gruppen, eröffnet nachhaltige Smoothie-Bars oder verkauft T-Shirts aus Bio-Baumwolle, damit es die Amis nicht tun müssen. Aber verkauft Euch nicht als etwas Neues. Der Wein ist ein ganz oller, furchtbar schlecht gemischt und nicht mal die Schläuche strahlen irgendeine Anziehungskraft aus. Ich trinke jetzt ein Bier.