Man blickt ja nicht so recht durch, durch’s Getöse und Gewese um die Krim. Ich ja schon dreimal nicht, denn ich war nie da und will nicht hin. Ein Fan von Putin bin ich auch nicht – wie auch? Aber wenn ich eins wirklich nicht leiden kann, dann das Anlegen von mehrerlei Maß. Und was die Geschehnisse in der Ukraine und auf der Krim angeht, sind mehr Maßbänder zu finden, als in einem durchschnittlich ausgestatteten Baumarkt. Und täglich legt jemand seins dazu – da will ich nicht hinten anstehen!
Ich denke, man braucht weder einen Hochschulabschluss noch gesteigerte Ortskenntnis im an Europa grenzenden Osten, um zu sehen, dass anti-russische Propaganda auch 2014 stärker ist als Information. Aber selbst beim Umgang mit Geschehnissen in und um Russland ist ein Maßband nicht genug: Sportler nach Sotschi zu schicken, sich aber gleichzeitig als Kanzlerin oder Bundespräsident bockig auf die Hinterbeinchen zu stellen und zu verlautbaren, man fahre „dort“ nicht hin, ist halbgar. Öffentlich-rechtlich fleißig Bericht zu erstatten von all den schicken Ski-, Schnee- und Eis-Events, dabei aber immer auch ein mahnendes „…aber die Menschenrechte…“ hinten anzustellen ist genauso blöde. Was ist nur aus dem guten alten „Machen oder bleiben lassen“ geworden? Halbgares ist mir grundsätzlich suspekt – meist zurecht.
Und ganz aktuell haben wir nun wirklich den Salat, was? Einerseits Paralympics in Sotschi – Gutmenschensport. Andererseits, der böse Säbelrasselrusse auf der Krim. Berichterstattung und offizielles Blabla zwischen Trallalahopsassa und ohje ohje. Und besonders beim Ohje-ohje-Teil, werden mehr Synapsen in meinem Köpfchen zerschossen, als ich mir bei größter Mühe versaufen könnte. Ohne mir anzumaßen, die Situation tatsächlich einschätzen zu können, muss ich doch sehen, dass hier aber auch gar nichts rund, logisch oder stimmig ist.
Nachdem europäische Politiker und -innen also Faschisten die Tür zum ukrainischen Parlament aufgestoßen haben, zieht/zog Putin Truppen auf der Krim zusammen. Schreibt man beides in denselben Satz, klingt’s schon gar nicht mehr so unlogisch. Nimmt man dazu die Schwarzmeerflotte, die nunmal um die Krim herumschwimmt, wird’s noch schlüssiger. Und schaut man sich die Ausweitung der NATO in den Osten hin an (übrigens entgegen anders lautender Versprechen dieses Vereins gegenüber Russland), dann muss man Putins Gerassel noch immer nicht gut finden, aber man kommt doch nicht umhin, es nachzuvollziehen.
Was aber machen Obamas Papageien stattdessen? Sie blubbern von einer Invasion! Und Rautenmerkel maßt sich gar an, von einer Völkerrechtsverletzung zu faseln. Da schüttelt es mich. Da schaue ich auf aktuelle und vergangene Einsätze der USA, der Nato und der Bundeswehr und frage mich, wie das sein kann. Die einzig logische Erklärung für den Sermon, den unsere gewählten Vertreter/-innen über uns ausschütten ist die von Urban Priol, der sinngemäß über Frau Merkel sagte, sie interessiere sich gar nicht für Politik. Dann macht’s Sinn. Andernfalls muss ich fragen: Wisst Ihr es nicht besser? Dann aber raus aus dem Job. Oder wisst Ihr es besser und verfolgt Interessen, die Ihr uns (den Nicht- und Wählenden) nicht mitteilt? Dann aber erst recht raus aus dem Job!
Es kann doch nicht sein, dass einer deutschen Regierung nicht auffällt, dass eine Menge braunen Gesocks auf dem Majdan – obendrein scharf bewaffnet – aufmarschiert ist. Es wird sich doch hoffentlich irgendein Berater/Staatssekretär vorher schlau gemacht haben. Und es kann doch auch nicht sein, dass Oppositionelle wie bei einem Staatsbesuch empfangen werden, wenn sie aus der Ukraine sind, gleichzeitig aber keiner die Eier hat, Edward Snowden einzufliegen – nichtmal ein bisschen heimlich. Und ebenso absurd ist es, dass amerikanische Special Forces mit der Lizenz zum Töten in Afghanistan, Pakistan … – ach, die Liste würde den Platz hier sprengen – Terrorabwehr sind, aber die in Verträgen zwischen der Ukraine und Russland geregelte Stationierung russischer Soldaten auf der Krim eine Invasion.
Um all das zu gipfeln, fordern dieselben Regierungen, die den bewaffneten, brutalen Aufstand auf dem Majdan als Bekundung des Willens eines Volkes feiern, dazu auf, die Volksabstimmung auf der Krim (deren Ausgang ohnehin klar ist, weil sich die Menschen dort eben eher Russland zugehörig fühlen), zu ignorieren und zu ächten. Vernunftbegabte, logisch denkende Wesen müssen hier den Kopf schütteln. Der Versuch es zu verstehen kostet unnötig Lebenszeit.
Wenn das Maß beim Betrachten der Dinge derart aus dem Ruder läuft, dann würde ich gerne Dummheit unterstellen, muss aber annehmen, dass es Absicht ist. Vielleicht ist „annehmen“ nicht das richtige Wort, platter kann der Versuch mich zu verscheißern ja kaum noch ausfallen. Dumm ist allein, dass sich die [qtip:freie Presse|ich mag eigentlich keine Anführungszeichen, um zu zeigen, dass ich etwas ironisch meine, hier musste ich mir ganz schön auf die Finger hauen] immer seltener darum bemüht, ein objektives Bild zu zeichnen. Stattdessen wird von ihr verbreitet, was Machtpolitiker mir aufs Brot zu schmieren versuchen: Es gibt guten, amerikanisch/westlichen und es gibt bösen, russischen Kolonialismus. Wenn sich das was der Westen Demokratie nennt nur über den ganzen Erdball ausbreitet, dann profitieren alle davon, dann ist’s menschlich, dann ist’s schön – das werden gerettete Griechen, Portugiesen, Iren, Spanier und Italiener sicher frohen Mutes bestätigen. Wenn aber der böse, kommunistisch-oligarchische Despotenrusse seine Idee eines Staatswesen schützt, dann ist das Bäh. Das geht nicht, dort hungern Menschen und werden unterdrückt. Und wisst Ihr was? Ich kaufe diese Scheiße nicht einfach so.
Natürlich ist Putin ein Arschloch. Aber wenigstens so ein richtiges, das es offen vor sich herträgt. Da wird freien Oberkörpers ein Pferd geritten und „ich bin Sparta – äh Putin“ geplärrt. Da wird Snowden Asyl gewährt, weil’s dem alten Erzfeind ein Dorn im Auge ist und dann werden eben auch Truppen auf der Krim zusammengezogen, wenn Putin fürchten muss, dass ihm dort eine letzte Bastion vor Europa wegbricht. Alles nicht nett, aber alles schlüssig. Im Übrigen ist es dasselbe Gebahren, das der Fackellauf vor den Olympischen Spielen war: Protzig, laut, selbstgerecht, medienwirksam und völlig übertrieben. Da die Tradition des Fackellaufs vor Olympia auf Göbbels zurückgeht ist das logisch – der konnte sowas. Dass es der darüber berichtenden Presse nicht so recht auffallen will – naja.
Putin mag’s wenn’s rummst. Ein westlicher Politiker hätte vielleicht die Ukraine zuerst auf die Achse des Bösen gepackt und wäre dann – völkerrechtlich plötzlich legitimiert – mit mehreren Armeen einmarschiert, so isser nunmal nicht. Daraus eine Invasion und Völkerrechtsverletzung zu stricken, während vor der eigenen Haustüre, nein, im eigenen europäischen Haus, die gesundheitliche Versorgung Geknechteter zusammenbricht und ganze Generationen arbeitslos sind, ist eine Frechheit – nicht mal nur mehr ein Ablenkungsmanöver. Es ist anmaßend und es ist widerlich. Es ist pro-amerikanisch und pro-kapitalistisch, aber es ist gewiss nicht humanitär oder demokratisch. Es wäre nun an der Berichterstattung, wenigstens die falschen Etiketten dieser Kolonialisierung per Einmischung endlich abzureißen. Von den korrupten Machthaltern erwarte ich es längst nicht mehr.