Ich kauf’s nicht – zur Wahl schon gar nicht

Ich mag ja die Idee Europa. Also meine. Offene Grenzen z. B. sind was feines. Zumal Grenzen, schauen wir zurück, ein recht flexibles Gut sind – mal hier mal dort, ganz schön mobil die Biester. Den Euro finde ich praktisch. Der Sparfuchs in mir kann leichter Preise vergleichen. Aber da er als Instrument der Unterdrückung gemeint ist, will ich meine Bequemlichkeit gerne hinten anstellen und – wenn nötig – auf ihn verzichten. Und die Idee Europa auf eine Währung zu reduzieren ist ziemlich dünn. Ebenso wie die Idee, man könne eine Region, groß wie diese, zentral mit Verordnungen belästigen. Und auch all die anderen Ideen, die sich gerne hinter dem Pro-europäischen verstecken, haben mit dem was ich gerne bei Europa fühlen würde nichts zu tun. Die europäische Politkaste jedenfalls, ist kein bisschen reif für Europa.

Eigentlich möcht’ man’s nicht erklären müssen, das Offensichtliche. Und ich halte mich auch nicht für unerhört schlau oder so. Das mit der Intelligenz ist ja doch nach Gauß normalverteilt. Es gibt ein paar wenige Saublöde, ein paar wenige ganz Schlaue und dazwischen einen Riesenhaufen durchschnittlich intelligenter Menschen – die übliche Käseglocke im IQ-Diagramm eben. Offenbar aber gibt es da jene, die sich für besonders schlau halten. Für so schlau, dass sie Ihre offensichtlichen Ungereimtheiten, ja Lügen, nicht einmal mehr besonders geschickt verpacken. Im Gegenteil, sie legen sie so kurz hinter die platten Parolen, dass man gar nicht weiter buddeln muss, um ihnen auf die Schliche zu kommen.

Zur Europa-Wahl heute – und wie bei so vielen Wahlen – zeigt sich das Unschlüssige, das Verlogene wieder einmal besonders deutlich. Über die ‚Alternative‘ will ich hier gar nicht schreiben. Zu ihr ist viel gesagt und wer sich hier noch angesprochen fühlt, ist dann auch einfach mal selbst schuld. Mir geht es mehr um die so genannten großen/etablierten Parteien. Was sich dort in den Köpfen zusammenschwurbelt und pünktlich zu Wahlen verkauft wird, das bekomme ich einfach nicht zurechtgedreht.

Pünktlich zur Wahl – und besonders dann, wenn sich am rechten Rand mal wieder irgendwer erfolgreich tummelt – ist die Rede von Einwanderung und von Sozialschmarotzern. Klar, Sozialschmarotzer haben wir: Christian Wulff zum Beispiel oder Uli Hoeneß. Menschen, die sich schamlos, auf Kosten der öffentlichen Hand, bereichern. Aber die gebetsmühlenartige Thematisierung der angeblichen Einwanderung, die ertrage ich nicht und die ist unglaublich verlogen.

Was uns die angeblichen Pro-Europäer vormachen wollen ist, dass man ein bisschen Anti-Rassist sein kann. Das geht genauso gut wie ein bisschen schwanger – nicht. Sie versuchen’s aber dennoch und kommen damit durch. Sie faseln vom grenzenlosen, reisefreien Europa, hätten dann aber gerne einen Zaun im Mittelmeer, damit diese störenden Afrikaner doch bitte in neutralen Gewässern ersaufen mögen, aber nicht kurz vor Italien. Und wenn sie’s dann doch mal schaffen, zumindest teilweise heil in Sizilien anzukommen und der italienische Minister sagt: „Willkommen, hier sind Eure europäische Visa, ich kann Euch nicht alle alleine versorgen.“ Dann gibt’s plötzlich Grenzen in Europa, dann ist/da war große Aufregung.

Ja was denn nun? Bin ich am Stammtisch? Gilt der alte Satz „Ich hab’ ja nix gegen…, aber“? Den kennste, ne? „Ich hab ja nix gegen Ausländer, aber diese rumänischen Sinti…“ oder „Ich hab ja nix gegen Schwule, aber sie sollen mich nicht anmachen.“ Eben diesen Satz bekommen wir aktuell in groß: Pro-Europa, aber die Einwanderung muss geregelt werden. Anti-Rassisten bis zur aktuellen europäischen Grenze – und die verändert sich. Wie geht das? Heute noch ist Erdogan ein böser Antidemokrat, wenn er aber morgen in der EU ist, dann verteidigen die Polizeikräfte des Staates nur die öffentliche Ruhe und Ordnung? Wenn der italienische Staatshaushalt schief liegt, dann sind Brüssel, der IWF, die EZB und wie all die Verbrecher heißen zuständig, aber 150 afrikanische Flüchtlinge sind das Problem Italiens?

Man kann nicht ein bisschen Anti-Rassist sein. Und es gibt keine Landesgrenze, an der Rassismus plötzlich beginnen darf. Wer mir weismachen will, Italiener, Spanier, Griechen usw. usf. seien seine Freunde, Russen und Afrikaner aber nicht, dem glaube ich den ersten Teil der Aussage nicht. Nach dem Aber höre ich nicht mehr hin. Dieser Mist tümmelt sich in den so genannten großen Parteien und er verkauft uns für blöd. Bekennende Russland-Hasser sind ebenso bekennende Europa-Anhänger – und diese Scheiße kaufe ich nicht mehr.

Rassismus, Sexismus, Homophobie – all das ist dasselbe und man folgt diesen Ideen oder man lässt es. Es gibt hier keine Bisschens. Und dass das nicht leicht ist, das weiß ich wohl. Dass man mit sich selbst immer wieder ringen muss, um Vorurteile abzulegen oder nicht entstehen zu lassen, das ist richtig und kostet Kraft. Nur wird es ein Europa ohne diesen Konflikt in uns allen nicht geben. Und wenn wir heute zur Europa-Wahl gehen, dann ist mir eines leider viel zu klar: Der große Teil der politischen Klasse Europas ist nicht reif für Europa!