Ehesorgen

Ich will sie nicht, Eure Ehe. Ich will den Betrug nicht, die Huren nicht, die unterdrückten Phantasien nicht, den Kindesmissbrauch und den erweiterten Selbstmord schon gar nicht. Wer glaubt, ein Etikett stelle eine Beziehung auf ernsthafteren Boden, sollte ohnehin mal über das Konzept Beziehung nachdenken. Aber Ihr liebt Eure Ehe, Ihr besorgten Eltern und wie Ihr nicht alle heißt. Und Ihr tut so so, als führe die Öffnung der Ehe dazu, dass nun quer durchs Land Cousinen und Hunde geheiratet werden. Ehrlicher wär’s vielleicht. Trotzdem stelle ich den Wert der Ehe nicht annähernd so in Frage, wie Ihr selbst: Hochzeit auf den ersten Blick? Really?

Hallo? Keiner da? *TOCK* *TOCK* Hmmmm. Oder hab ich’s verpasst? Besorgte Eltern? Erzkonservative? Erzbischöfe? Neofaschisten? Traditionalisten? Das ganze nationalistische Gesockse eben. Wo isses? Wo war’s? Ich MUSS das verpasst haben, den Shitstorm, die Aufregung, die Demos und den Aufstand. Aber wie ich auch gucke und google, es ist nix zu finden. Das eine oder andere Naserümpfen vielleicht. Gut, Margot Käßmann hat kurz eine Augenbraue gehoben, aber sonst? Vielleicht hab’ ich auch verlernt im Netz zu suchen. Anders kann ich es mir nicht erklären.

Ich meine, Ihr seid es doch, die vom „heiligen Stand der Ehe“ faseln und so mächtig Angst haben, dass – Ihgitt – Schwule und Lesben sowas auch haben dürfen. Mir war das schon immer egal. Es ist Euer Konzept, dieses Ring-dran-und-weiter-rumhuren. Jedem das Seine. Aber so wie Sat1 jüngst, habe ich nie auf Eure Ehe geschissen, gekotzt, gespuckt und dann noch mal nachgetreten. Ihr sorgt Euch ernsthaft, dass Eure Kinder lernen könnten, dass man das Ding nicht nur in ein Loch stecken kann – oder wie es bei der Marine heißt: „There is no wrong hole“, findet’s dann aber unterhaltsam, wenn Sat1 eine Show aufsetzt, in der sich zwei Wildfremde (Heteros, I might add) zum ersten Mal beim Standesamt sehen und sich dort dann das Ja-Wort geben? Rechtskräftig und mit dem üblichen TamTam, also Brautkleid, Verwandte, anschließende Feier und Flitterwochen – das volle „Sanctity of marriage“-Getöse.

Dass Ihr nicht ganz frisch tickt, das ist ja keine Neuigkeit. Wer sich unter dem Deckmäntelchen des Widerstands gegen einen sexuell offeneren Bildungsplans mit Klerikalen und Rechten auf die Straße begibt, der verfolgt A ein ganz anderes Ziel und hat B offensichtlich einen an der Waffel. So weit so ekelhaft. Aber wenn Ihr schon so tut, als tätet Ihr was für Werte – nicht gegen Minderheiten –, dann seid doch so lieb und tut es so ein bisschen konsequent. Nur so für mein schwules Seelenheil und weil’s insgesamt einen konsistenten Eindruck macht. Ich weiß schon, dass Ihr’s auf meine Art zu leben abgesehen habt und nicht auf Piller-in-Popo-Sexualkunde, aber könnt Ihr mich nicht so ein bisschen weniger blöde verarschen?

Wenn Ihr das denn ernst meint – zumindest vordergründig, ungeschönte Biografien darf man hierzu ja ohnehin nicht lesen –, mit Eurem heiligen… ne, sorry, noch mal kann ich den Quatsch nicht schreiben, mit Eurer Ehe, dann kann’s doch nicht sein, dass Euch eine Sendung wie „Hochzeit auf den ersten Blick“ einfach durchgeht. Die macht ja mich wütend – und mir kann Eure Ehe wirklich gestohlen bleiben.

Euer Lieblingsspielzeug wird da also vor Millionenpublikum kaputtgekloppt – und nur die betrunkene Pfaffin murrt kurz. Hat Fernsehen da ’nen Darf-Schein? Oder ist’s, weil ja alles total wissenschaftlich ist? Ich hab kurz reingeschaut – ja, hab ich wirklich. Ich schreib doch nicht aufs Geratewohl. Würd’ ich nie! *schwör*. Und wenn man den Kaspern beim Wissenschaftlern zugeschaut hat, dann lässt sich dort die Erklärung sicher nicht finden. Laber-laber-Frittenbude-bli-bla-blubb. Sciencetainment nennt man das wahrscheinlich, als Steigerung von Infotainment. Klingt auch besser als: vollkommener Schwachsinn von jemandem mit Uni-Abschluss – mutmaßlich Bachelor. Uni-Abschlüsse, auch so’n Thema, aber eins für einen eigenen Artikel.

TV darf alles. Das muss wohl die Erklärung sein. Hauptsache es unterhält hohl, wenn man gerade mal wieder von einem Bitte-keine-Piller-im-Popo-Sexualkunde-Marsch heimkommt, bei dem man mit den Mitstreitern so angestrengt darüber einig war, wie fremd alles Fremde ist und dass es früher nicht so viel hier- oder davon gegeben hat – und davon schon gar nicht. Wobei ich im letzten Teil freudig mit einstimme: Solch einen Bullshit, wie er derzeit unverhohlen gesendet wird, hat’s früher nicht gegeben. Und ich wurde nicht so erzogen, noch erlaubt es mir mein eigenes Verständnis vom Umgang miteinander, das gut zu finden. Aber hey, an dieser Stelle wäre der Aufruhr doch mal Euer Job. Ich hab als schwuler Systemkritiker echt mal genug zu tun.

Aber Ihr habt Euch einlullen lassen. Angefangen mit DSDS und dem Vorführen von Idioten, die sich zum Affen machen und die Senderechte daran abtreten. Über das Dschungelcamp, bei dem sich die Idioten immerhin selbst und für gutes Geld aussuchen, sich zum Affen zu machen, bis zu Himmel oder Hölle oder Joko gegen Claas. Ich find’ das nicht lustig. Und es korrumpiert unsere Werte. Und ich hab nix gegen Werte – gegen Grundsätze wie „was Du nicht willst, das man Dir tu…“ – ich kann morgens in den Spiegel gucken und weiß, dass ich keine Leichen im Keller hab. Ein gutes Gefühl, dem aber Werte zu Grunde liegen. Die Ehe ist für mich kein Wert, aber was Sat1 damit anstellt ist ein Anschlag auf den Anstand, es ist menschenverachtend und geht selbst mir zu weit.