Nach einer Tat wie der am 19.12. in Berlin, ist es schwer frei zu schreiben, ohne dass gleich die halbe Nation auf der Beleidigte-Leberwurst-Couch sitzt. Es gilt, Rücksicht auf die Angehörigen der Opfer zu nehmen und auf die Moralapostel, die diese Rücksicht reflexhaft einfordern, weil man’s halt so macht. Wem damit gedient ist, sei dahingestellt, ich werde dennoch versuchen, niemandem mit Anlauf auf den Schlips zu treten. Einfach schweigen möchte ich aber auch nicht, denn es sind – erneut – alle Relationen aus den Fugen.
Am 19.12. gab es in Berlin am Breitscheidplatz 12 Verkehrstote. Das sind so viele, wie an jedem anderen guten Tag in Deutschland. Das Letztere ist freie Fahrt für freie Bürger, das erstere ein Terroranschlag. Ich bin grundsätzlich einverstanden, den Begriff so zu verwenden. Dann aber gibt es in Deutschland nicht ca. 500 Gefährder, sondern knapp 80 Millionen – die meisten davon leicht bewaffnet, eine große Zahl schwer, mit ihren SUVs, Limousinen, Sportwagen und wie der gefährliche Schrott sonst so heißt. Das klingt für Sie zynisch? Das ist es in der Tat.
Und es geht mir hier gewiss nicht darum, eine abscheuliche Tat zu verniedlichen. Der Hype um das was geschehen ist, steht nur in keinem Zusammenhang zum Vorfall. Dabei müsste es der gemeine Deutsche besser wissen. Wir kennen uns doch mit Terror aus: SS, SA, Gestapo – Instrumente des Staatsterrors in seiner klarsten Form. Aber wir haben ja von all dem nix gewusst und Oppa war kein Nazi. Willkürlich und brutal bestrafen, um Einzuschüchtern – das ist der ganze Sinn von Terror: Das Erschaffen von Angst. Und Carsten Bockstette¹ schreibt, Terrorismus sei keine Militär-, sondern primär eine Kommunikationsstrategie. So gesehen, kann man im Zusammenhang mit der Tat in Berlin natürlich wieder von Terror sprechen, dann aber von medialem.
Stupid white men beiden Geschlechts gehen weiterhin ungerührt davon aus, dass die Welt ihnen gehört und sich um sie dreht. Anders ist eine solche Verzerrung der Wahrnehmung nicht erklärbar. Das gilt für Erstweltler, und speziell die Hinterwäldler unter jenen, auf dem gesamten Globus. Aber wenn ausgerechnet Deutsche derlei unreflektiert von Terror sprechen und schreiben, dann muss das doch jemandem auffallen. Deutschland hat Europa im letzten Jahrhundert zweimal in Schutt und Asche terrorisiert – Entschuldigung, gebombt, hat mit minutiöser Genauigkeit die millionenfache Vernichtung von Menschen geplant, organisiert und durchgeführt und ist – man redet nur nicht so gerne darüber – der größte Waffenexporteur Europas. Wie sollen wir das also angehen? Ist das eine nunmal Krieg, mit Millionen und Abermillionen Toten, 12 auf einem Weihnachtsmarkt sind Terror? Und ist der Export von Waffen nunmal notwendiges Tagesgeschäft, ein LKW aber plötzlich ein Terrorwerkzeug?
Kriegswaffen sind – meiner bescheidenen Meinung nach – der Inbegriff von Terror. Und wir sind nicht zimperlich beim Ausliefern. Der Staatsterror einer Saudi-Arabischen Königsfamilie scheint da kein Kriterium. Und bis Gaddafi und Hussein (um nur zwei zu nennen) versehentlich in die falsche Richtung schossen, war uns auch nicht so wichtig, wie die feinen Herren mit ihren Schutzbefohlenen umgingen. Wir brauchen Öl, die brauchen Knarren – läuft. Unserer Rolle im Terror von Syrien und der Katastrophe in Aleppo zu beleuchten, benötigte einen eigenen Artikel und einiges an zusätzlicher Recherche. Soviel ist sicher: sauber sind unsere Hände nicht. Hier übrigens finde ich die Begriffe Terror und Katastrophe angebracht.
Wie lange muss ich noch warten, bis Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte als Terror bezeichnet werden – nicht nur in vereinzelten Artikeln? Wenn aber mal ein geistig verwirrter, der sich den westlichen Terror im Nahen Osten eine Weile angeschaut hat, mit einem LKW oder Bombengürtel bei den Verursachern einreitet, dann spricht Deutschland von Terror. Na, und andere europäische Nationen pusten selbstverständlich ins selbe Horn. Auch die Franzosen müssten es eigentlich besser wissen, haben sie den Terror doch erfunden. Und ein Ausnahmezustand, der nun über ein Jahr gilt, ist auch kein Akt des Friedens, der Demokratie oder des Rechtsstaats. Im Gegenteil: Diese Prinzipien werden außer Kraft gesetzt und durch Willkür ersetzt.
Wir halten fest: Arschlöcher gibt es in jeder Hautfarbe, aus jedem Land, jeder sexuellen und jeder religiösen Ausrichtung. Ein paar davon suchen stets nach sehr spezieller Unterhaltung. Weder ein Ausnahmezustand, noch eine komplette Überwachung oder Polizei an jeder Ecke kann solche Pfosten aufhalten. Es ist lediglich eine Frage der Entschlossenheit. Ich schweife ab…
Berlin/Gotham
Zurück nach Goth… ähm nach Berlin. Offenbar hat ja der Joker eine Spielkarte hinterlassen. Zuerst also hat die Berliner Polizei einen Verdächtigen Pakistani (it’s always brown people, isn’t it?) an der Siegessäule festgenommen. Jenen musste sie dann aber wieder freilassen, weil er’s – trotz generalverdächtiger Hautfarbe – nicht gewesen sein kann. Und ein paar Stunden nach der Tat findet eben jene Polizei – Zauberei – ein Ausweisdokument, offenbar eine Duldungsbescheinigung, unter dem Fahrersitz des Tatfahrzeuges. Jupp – das leuchtet mir ein, das halte ich für schlüssig, meine Duldungspapiere lege ich stets unter den Fahrersitz, wenn ich irgendjemandes Auto steuere und erst recht, wenn ich damit einen kriminellen Akt zu vollziehen plane. Ausweise zu hinterlassen, scheint überhaupt trendy zu sein, bei Terroristen. Bei 9/11 fielen drei Hochhäuser zusammen und es blieb nichts als Staub – also Staub und der Ausweis eines der Haupttäter. Und auch nach dem Attentat auf Charlie Hebdo fand die Polizei einen im Auto vergessenen Ausweis. Man will die Ermittler schließlich nicht tagelang im Dunkel tappen lassen. Dann – so die Erzählung weiter – flieht Anis Amri über die Niederlande und Frankreich nach Italien, um sich erschießen zu lassen. Mir ist kaum klar, wie er sich unbedrängt vom Tatort entfernen konnte, zusätzlich hat er wohl noch eine Europareise vollbracht. Ach, und der IS hat sich – nachdem wir seit zwei Jahren um einen Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt und/oder Faschingsumzug betteln – zur Tat bekannt. Na, dann ist doch alles klar, oder? Sind’s mir nicht böse, aber wäre ich ein Sprecher des IS, ich bekennte mich zu jedem feuchten Furz auf dem europäischen Kontinent. Vor allem zu jenen, bei denen die Wände wackeln, in drei Stadtteilen ABC-Alarm ausgelöst wird und ob dessen Gestank drei Häuserblocks evakuiert werden müssen – Sie wissen schon.
Zu schlechter Letzt hieß es für Amri dann nicht „Brügge sehen und sterben“, sondern „Der Held von Mailand – Polizei-Anfänger erschießt Berliner Terror-Teufel“ (Bild-Zeitung am 24.12.’16). Und hier nun ist – mutmaßlich unter Applaus der Leserschaft – der Gipfel von Dummheit und Zynismus erklommen. Der „Held“ erschießt den „Terror-Teufel“. Jegliche Grundrechte werden das Klo hinuntergespült und „wir“ spenden Applaus. Bis eine Tat zweifelsfrei bewiesen ist, gilt für den/die mutmaßlichen Täter die Unschuldsvermutung. Ein solches Gesetz ist ein hohes Gut, das jedem von uns jederzeit Gefängnisaufenthalte ersparen könnte. Es ist unsäglich gefährlich, irgendwem dieses Recht abzusprechen. Ist diese Büchse der Pandora geöffnet, entfaltet sich ihr Inhalt – wir sind mittendrin. Anis Amri war lediglich ein Verdächtiger – genauer der Hauptverdächtige einer abscheulichen Tat. Und jetzt ist er ein toter Verdächtiger und damit ebenso unschuldig wie seine Opfer. Er wird sich nicht mehr zur Tat äußern können, genauso wie die Verdächtigen, die Anfang des Jahres in Belgien erschossen wurden – um nur einen Fall aus den letzten Monaten zu nennen.
So geht es aber nicht. Ein Ausnahmezustand darf nicht Normalität sein – it’s in the name. Und Begriffe wie Terror-Teufel, Anschlag, Katastrophe, Reisewarnung, Gefährdung, Gefährder etc. etc. schüren Angst. Sie sorgen dafür, dass wir an dem Ast sägen, auf dem wir sitzen. Ihre Anwendung kostet uns jeden Tag Freiheit und lässt Grundsätze geltenden Rechts zur Floskel verkommen – wichtige, Menschen schützende Grundrechte, die niemandem entzogen werden dürfen, denn sonst sind Sie/bin ich der Nächste.
¹Bockstette, Carsten: „ Terrorismus und asymmetrische Kriegsführung als kommunikative Herausforderung“. In: Carsten Bockstette, Siegfried Quandt, Walter Jertz (Hg.) (2006) Strategisches Informations- und Kommunikationsmanagement. Handbuch der sicherheitspolitischen Kommunikation und Medienarbeit; Bernard & Graefe Verlag.
Ein Gedanke zu “Berlin – Freude am Fahren.”
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