Eine Märchenstunde

Gerade in der zweiten Hälfte 2019 zeigten NGOs und Journalist*innen auf, dass Waffen aus der EU in Krisengebieten und gegen Zivilist*innen angewendet werden. Ich schaue mir diese Berichte und Enthüllungen an und denke: Was soll das?

Wer sich die Mühe macht, zu zeigen, dass Waffen in Krisengebiete und an Regime geliefert werden, die Kriegsverbrechen begehen, schafft gleichzeitig eine Realität, in der es so etwas wie „richtige Waffenexporte“ gibt. Dieser Lesart folgend, müsste ich ja glauben, all die anderen Waffen würden für Vitrinen exportiert.

Zeig mir Deins, ich zeig Dir meins.
Zugegeben, Waffen haben reichlich mit Schwanzvergleich zu tun, aber meines Wissens werden sie nirgendwohin exportiert, um sie in Museen auszustellen. Wir sprechen über den Export von Kriegswerkzeugen und sollten nicht in Versuchung geraten, überrascht zu tun, wenn diese in Kriegen eingesetzt werden. Es liegt in der Natur der Waffe, dass sie genutzt wird.

Deshalb sitze ich so ratlos vor derlei investigativen Berichten: indem sie anprangern, dass Waffen da und dort eingesetzt werden, unterwerfen sie sich gleichsam der Logik der Waffenindustrie und der absurden Exportpolitik. Jener Logik eben, dass es Waffenexporte gäbe, die nicht anzuprangern seien.

Die hierzu aufgestellten Regeln sind lediglich ein Feigenblatt, um den zwangsläufigen Terror, der von Waffen ausgeht, ein bisschen freundlicher aussehen zu lassen. Regeln, die zwischen Rüstungsgütern und Kriegswaffen unterscheiden, die uns einreden, einen Weiterverkauf kontrollieren zu können und bei denen Maschinengewehre unter den Begriff „Kleinwaffen“ fallen. Die Seite des BMWi liest sich wie eine ausgesprochen zynische Groteske.

Krisenregion
Wenn man schon beim Augenwischen ist, dann klingen natürlich Begriffe wie „Krisenregion“ oder „unproblematische Drittländer“ unerhört passend. In ersteres darf nicht, in zweiteres aber schon geliefert werden. Achja, die guten Regeln, beim massenweise Verscherbeln von Terrorinstrumenten, was wären wir nur ohne sie? Denn schließlich lässt sich präzise sagen, was und wo so eine Krisenregion ist und was ein unproblematisches Drittland… also heute. Morgen hingegen – das lernen wir ja im Nahen Osten und in Afrika fast täglich – kann’s schon passieren, dass – auch mit Hilfe westlicher Interessenvertreter – so ein unproblematisches Drittland – bumms – zur Krisenregion wird. Falls es jemand vergessen hat: der Westen hat Saddam Hussein jahrelang mit Waffen beliefert, denn er schützte die westlichen Interessen ja vor dem bösen Iran. Wer hätte auch ahnen können, dass ein menschenverachtender Diktator mal eine Laune hat und in Kuwait einreitet? Das scheinen Waffen-Exporteure und deren Genehmiger ohnehin nicht zu wissen, dass Diktatoren launisch sind. Schließlich trifft auch Erdogans Einmarsch in Nordsyrien die „westliche Wertegemeinschaft“ völlig überrascht. Ja HERRGOTTSACK!

Khashoggi
Wo ich’s von Überraschungen und dem perversen Ausufern „unproblematischer Drittländer“ habe. Was stimmt denn mit Politiker*innen nicht, bei denen Saudi Arabien erst einen Journalisten vor laufenden Kameras umbringen lassen muss, bis sie erkennen, dass „unproblematisch“ hier ein problematischer Terminus ist. Es bedurfte tatsächlich des Falls Khashoggi, dass unsere bunte Regierung Waffenlieferungen an die Saudis für schwierig hielt. Diese lupenreinen Demokraten machen das zu Hause jeden Tag, also jemanden aus dem Verkehr ziehen, erhängen, unterdrücken… Diese Liste muss ich nicht ausführen und da hab’ ich vom Jemen-Krieg noch gar nicht gesprochen. Ich setze jetzt hier einfach mal Grundkenntnisse über die Player voraus und vertiefe das nicht weiter. Es geht hier nicht um problematisch oder unproblematisch, es geht um Kohle (na, und wie immer um Öl) oder keine. Es juckt die westlichen Werte nicht, was in Saudi Arabien läuft oder gegen wen sie in den Krieg ziehen. Die Kasse stimmt und es wird verkauft, was nur geht. Keine Sau interessiert wofür und somit war das Aufbauschen des Falls Khashoggi eine unglaubliche und verlogene Sauerei. Man handelt nicht mit Diktatoren. Nicht mal ein Pfund Butter!

Hab’ mich wieder im Griff
Zurück zum Thema: Es gibt keine „richtigen“ Waffen. Es gibt auch keine Waffen für „die Richtigen“. Kriegswaffen haben den einen Zweck, der schon in ihrem Titel steht: Sie werden in Kriegen eingesetzt. Sie sind nie ein Mittel zur Abschreckung oder ein Ausstellungsstück. Wir wissen, dass jede noch so perverse Waffe eingesetzt wurde und wird. Die Unterscheidung in legitime und illegitime Exporte zu stützen verschiebt die Diskussion in die falsche Richtung. Die Instrumente des Terrors müssen weg. Ausnahmslos. Die Herstellung und der Verkauf von Waffen muss geächtet sein. Eine Einteilung in „Gut und Böse“ unterstützt das perverse Treiben der Waffenindustrie. Lasst das sein, die Scheiße gehört eingestampft, nicht eingeteilt.