Weitsichten unter 50 Meter
Ich bin ja sonst nicht so der Paniktyp. Aber hier und heute möchte ich mich ganz entschlossen der weltweiten Reisewarnung unserer amerikanischen – äh – Dings –anschließen. Ich kann mir nämlich beim besten Willen nicht vorstellen, wie Piloten noch etwas sehen sollen da oben am Himmel, in Anbetracht all der Nebelkerzen, die derzeit von allerlei westlichen Regierungen in die Luft geschossen werden, um vom Abhörskandal und dem damit verbundenen hochnotpeinlichen Umgang mit den Whistleblowern abzulenken. Ich würde mich derzeit in kein Flugzeug setzen wollen. Die sehen doch da oben nicht mehr die Hand vor Augen!
Allein der Nebel, der von der Kerze um E-Mails von Al-Qaida-Bossen ausgeht, müsste ausreichen, um den kompletten US-amerikanischen Luftraum unbrauchbar gemacht zu haben, wenn nicht sogar zusätzlich den mittel- und südamerikanischen. Für Deutschland ist unsere Bundesangie sogar extra noch mal auf einen Deich geklettert, um die passende Nebelkerze zu zünden – und das Wochen nach der Jahrmillionenflut. Der besorgten Bürgerinnen und Bürgern dazu kamerafreundlich zugefurzte Text drehte sich darum, dass man ja von ihr erwarte, dass sie sich vor Ort sachkundig mache. Da wird dann schonmal Neuland betreten – sogar von Flüssen durchweichtes. Aber vielleicht ist der Bundesphysikerin ja so ein Deich und dessen Bruch ohnehin gar nicht so fern wie dieses Digitaldingsda.
Regelrecht vorbildlich haben sich – in Sachen Nebelkerze – unsere Freunde auf der Insel verhalten. Ein Königsbaby gegen den Abhörskandal zu zeugen und termingerecht auszuliefern – Respekt – das ist Timing, da wurden Deadlines eingehalten, da hat jemand konzeptionell ganze Arbeit geleistet. Wären die Erzeuger und die Blage nicht ohnehin schon per Geburt oder Einheirat adelig, man müsste sie allesamt zum Ritter schlagen. Da kann Putin mit seinen Angeltouren einpacken – toller Hecht hin oder her (der Fisch, nicht der Typ!)
Da nun also der ganze Quatsch in der Luft ist, haben die Amerikaner (wer sind „Die“ eigentlich in dem Fall?) folgerichtig eine weltweite Reisewarnung ausgegeben. Und davon abgesehen, dass es bei all dem Nebel ja tatsächlich gefährlich sein muss, dort oben herumzufliegen, mag ich die Idee irgendwie. Sie geht mir nur mal wieder nicht weit genug. Mir fehlt’s da an der Konsequenz in der Umsetzung. Wenn man der speziellen Nebelkerze glauben schenken soll, na, dann ist doch offensichtlich was zu tun ist: Runter mit den Fliegern – bzw. gar nicht erst rauf.
Man muss das Geschwafel einfach nur mal tatsächlich (nur spaßeshalber, anders bekommt man’s ja nicht hin) ernst nehmen und zu Ende denken. Es gibt also konkrete Hinweise auf Anschläge – ernstzunehmende Hinweise, gefährliche Hinweise. Okay. Aber so richtig präzise scheinen die bärtigen Buben in ihren E-Mails ja dann doch nicht geschrieben zu haben, wann und wo sie zuschlagen wollen. Aber dass sie wollen, das ist ja wohl klar. Steht in ’ner E-Mail – also quasi in Pixel gemeißelt. Hat die NSA mitgeschnitten. Gut gemacht. Puuuh. Und die NSA hat dann also messerscharf gefolgert/gefiltert/algorithmiert, dass es irgendwo passiert. Irgendwann diesen Monat. Ahja. Gut, also weltweite Reisewarnung.
Blödsinn: Die Jungs sind gefährlich und bärtig und sie sind braun – wildentschlossen – unberechenbar, also ist die einzig vernünftige Reaktion das weltweite Schließen der Flughäfen. Wenn nix fliegt, fliegt auch nix das fliegt in die Luft. 1+1=2 – capisce? Und wenn niemand irgendwohin fliegt, dann fliegen auch keine Terrorzellen durch die Gegend und wenn die Amerikaners brav zu Hause bleiben, dann werden sie auch sonst in der Welt nirgendwo in Teile gesprengt. Ich weiß gar nicht, warum sich alle mit simplen und logischen Lösungen so schwer tun.
Ich mag die Idee. Die Amis bleiben zu Hause und wir haben den weltweiten Generalstreik durch die Hintertür. Wegen ein paar E-Mails. Ich wünschte, die bärtigen Buben der Al-Qaida hätten einen feinen Humor und würden künftig mehr und mehr solcher E-Mails miteinander austauschen. Selbstverständlich ein bisschen gerissen – über verschiedene Server, auf verschiedene Adressen. Die Mitleser bei Laune halten eben und jeden Monat eine neue, weltweite Reisewarnung provozieren. Weiter tun muss man ja nix, um dem angegriffenen System Schaden zuzufügen. Es ist mittlerweile derart paranoid, dass sich alles weitere von selbst regelt. Im Kleinen hatten wir das schon bei Blockupy 2012: Man hätte – nachdem die Stadt sich komplett selbst abgeriegelt hat – einfach daheim bleiben sollen und gucken, wie sich die Mächtigen selbst auf den Füßen stehen.
Im Grunde freue ich mich auf den Tag, an dem Regierende (und die USA sind da ganz weit vorne) ihre eigene Bevölkerung mit solch durchsichtigen Ablenkungsmanövern derart verunsichert, dass tatsächlich mal der ganze Laden stillsteht. So stillsteht, dass nicht einmal mehr Nachschub für die berühmten amerikanischen Hamsterkäufe herangeschafft werden kann. Wahrscheinlich bräche die Stromversorgung zusammen, weil irgendein verhinderter Hamsterkäufer nicht zur Arbeit erscheint (und das amerikanische Stromnetz insgesamt so ein fortschrittliches ist) und binnen 12 Stunden wäre totales Chaos – wegen ein paar E-Mails. Die Auswirkungen könnten wir uns ja dann auf YouTube und Facebook anschauen. Oh – die wären ja vielleicht auch „down“. Ich sagte doch, ein schöner Gedanke.
In Anbetracht dessen, was so eine E-Mail erreichen kann, wünsche ich mir fast, noch ein kleines bisschen verdächtiger zu sein. Aber unsereins bekommt höchstens Besuch vom Staatsschutz, wenn ein Spaziergang zum Dagger-Komplex (Dagger=Dolch – subtil) geplant ist. Irgendwie nicht genug für einen kleinen Aufstand. Absurd, oder?