Energiewände

Wenn man nicht darauf achtet, fällt’s einem gar nicht mehr auf. Aber wenn man darauf achtet, dann ist es schon reichlich absurd, das Geleuchte und Geblinke, das den gemeinen Stadtmenschen allnächtlich umgibt. Und obwohl es ein Nebenschauplatz zu sein scheint, da Individualverkehr noch immer als notwendig verkauft wird, ist es für mich eine ganz besonders überflüssige Hürde beim Energiewenden.

Es ist nicht allzu lange her, dass ich mit Stefan in einer der Kneipen saß, in der wir unsere Whats-Next-Treffen gerne austragen. Es war Abend. Die Geschäfte waren geschlossen und wir schauten aus dem Fenster und es leuchtete und blinkte. Die gesamte Straße entlang rechteckige, gläserne Energiewände.

Dabei habe ich ja so grundsätzlich nichts gegen hübsches Licht. Ich mag’s in Clubs und ich mag’s, wenn zur Light&Building in Frankfurt Teile der Innenstadt lecker aus- und angeleuchtet werden. Nur damit hat das nervöse Geleuchte in Innenstädten oder Verkaufsmeilen von Stadtteilen ja leider herzlich wenig zu tun. Da sind Auslagen beleuchtet, es blinkt von irgendwelchen Regalen, ganze Schaufenster blinken, Powerpoint-Präsentationen laufen auf Flachbildfernsehern (Manchmal läuft auch gar nix, aber eine feine Windows-Fehlermeldung steht da) und alle paar Meter guckt irgendein Schild irgendeiner Filiale oder irgendeines Unternehmens leuchtend quer aus der Wand. Bäh.

Dabei ist das Geschmäcklerische ja gar nicht der Punkt. Mag sein, es gefällt tatsächlich Menschen. Obwohl ich behaupten möchte, dass diejenigen, die das Geblinke bestellt und eingebaut haben, sich selbst nicht mal für drei Minuten davorstellten. Vielleicht haben die Verbrech… Entschuldigung, Verursacher sich mal des Tags kurz vor ihre eigenen Laden begeben und geguckt, ob’s auch tatsächlich blinkt. Aber dann sind sie mutmaßlich wieder ins wohl ausgeleuchtete Innere, um epileptischen Anfällen vorzubeugen. Aber wie gesagt, darum soll es gar nicht gehen. Das wirklich Schlimme am Blink-Blink ist: es ist in mehrerlei Hinsicht ein vollkommen falsches Signal.

Zuerst einmal ist es offensichtlich ein falsches Signal, denn so ein beleuchtetes Schild suggeriert „geöffnet“. So haben wir’s gelernt und so gilt es zum Beispiel für Kneipen ganz unangefochten: Leuchtet = offen, leuchtet nicht = zu. Punkt. Für Geschäfte scheint das nicht mehr zu gelten. Und für andere Dienstleister auch nicht. Und das ist nicht nützlich, speziell, da die Öffnungszeiten immer flexibler sind. Man kann abends auf ein leuchtendes Schild zugehen, weil man sich noch ein Bier erhofft oder noch irgendein Schräubchen oder – haha – eine Glühbirne fehlt und stellt dann, an der Tür rüttelnd, fest, dass das einzig aktive am Zielort die Außenbeleuchtung ist. Blöd.

Und dann ist da das zweite – weniger offensichtliche – Signal der Leuchterei: Bei uns kommt der Strom aus der Steckdose! Danke. Freut mich für Dich. Und nun mach’s aus. Ich meine, da können wir uns jedwedes Geschwätz von der Umwelt, der Energie, dem Ökostrom und all der Sülze drumrum sparen, wenn’s nachts allüberall blinken und leuchten muss. Das ist – aus genannten Gründen – schon für Geschäfte und Dienstleister blödsinnig, aber der Irrsinn geht ja dann demnächst erst richtig los, wenn auch noch Herr und Frau Otto Normal ihre runden und bunten Stroboskope aus China in die Fenster hängen – wahlweise mit oder ohne Schweif, rund oder sternförmig –, um zu signalisieren, dass es nun weihnachtlich besinnlich wird. Besinnlich vor allem. Ich laufe alljährlich an manch einem Fenster vorbei und frage mich, wie man das eigentlich von Drinnen erträgt. Draußen nervt’s ja nur kurz, drinnen mutmaßlich den lieben langen Abend. Ich vermute, das Leuchtezeug hängt einfach hinter dem Flachbild-TV und wird von dessen Amiblight überdeckt. Wenn dieses ätzende Blink-Blink wieder losgeht und auch in diesem Jahr noch ein Schippchen draufgelegt wird (offenbar vermehrt sich der Kram ja exponentiell), dann scheint mir bald die Sonnenbrille nachts im Winter angebrachter als an den diesigen Tagen, die in Deutschland so mit „Sommer“ betitelt werden.

Wie wär’s also, wenn wir das mit dem Abschalten mal ernst meinen. Nicht nur die Atommeiler, sondern den Quatsch im Kleinen und nicht so Kleinen. Ich brauche keine Bürotürme, in denen Licht brennt, obwohl oder weil sie nicht mal vermietet sind. Und sicher brauche ich keine beleuchteten Schilder in der Stadt, wenn geschlossen ist. Powerpoint-Präsentationen brauche ich im Allgemeinen schon nicht, aber nachts sicher noch viel weniger. Der erste, der mal nachts rotzevoll aus einem Club gefallen ist und aufgrund einer Präsentation am nächsten Morgen einen Bausparvertrag abgeschlossen hat („das war halt total schlüssig, wie es da über den Flachbildschirm lief, letzte Nacht“), der möge sich bei mir melden. Vielleicht übernehme ich ne Rate. Na und ganz sicher brauche ich auch keine blinkenden Kreise und Sterne in Fenstern. Weihnachten kommt in diesem Jahr genauso überraschend wie in jedem anderen auch – eine Beschilderung ist nicht nötig. Ach, und wenn ich nachts ein Zimmer verlasse und ein anderes betrete, dann folgt mir das Licht dahin. Dafür gibt’s so lustige Schalter – gerne an Wänden. Verrücktes Konzept!

Wenn wir also eine Energiewende wollen, dann sollten wir ganz dringend über Energiewände und deren Nutzen nachdenken, anstatt die Verantwortung immer auf „Die da oben“ hin zu verschieben. Aus.