Adobe, von denen haben Sie schonmal gehört, oder? Selbst Menschen, die nicht in der Kreativbranche tätig sind kennen zumindest Photoshop, wegen all der hübschen Dingen, die man damit machen kann, damit z.B. aus Kate Moss das Bild von Kate Moss wird. Das ist von denen, das Photoshop. Und Dreamweaver – dieses Programm, mit dem 4/5 der Welt Webseiten entwickelt – das gehört auch in Adobes Portfolio. Gut, ist mitsamt der Firma die es erfunden hat reingekauft worden, aber gehört nun eben dazu. (Die feindliche Übernahme von Makromedia durch Adobe wurde damals übrigens als Fusion bezeichnet – LOL.) Dieses Adobe jedenfalls hatte jetzt eine Superidee: Wenn wir sowieso die einzigen sind, deren Programme in der Kreativbranche weit verbreitet sind, dann lass uns doch richtig unverschämt Geld damit verdienen. Nicht nur so’n bisschen unverschämt. Und deshalb schreibe ich diesen Artikel und deshalb fordere ich alle Adobe-Nutzer hiermit dazu auf, die Creative Cloud zu boykottieren!

Aber von vorne. Am Montag, dem 13. Mai gab Adobe bekannt, dass es keine Creative Suite 7 mehr geben würde sondern dass alle Programme von Adobe (außer Fireworks, das geht beim nächsten Update einfach über die Wupper) nun das Kürzel CC für Creative Cloud tragen werden. Und falls irgendwer noch kurz Applaus spenden wollte, weil Cloud-Computing ja so wahnsinnig hip ist, so zeitgemäß, so 2013, sollten auch dem letzten Befürworter in Anbetracht der Konsequenzen noch rechtzeitig die Finger eingefroren sein. Creative Cloud heißt, dass der geneigte Kunde (Freiberufler, kleine, mittlere und große Agenturen) seine Programme bei Adobe herunterlädt (einzeln übrigens, was bei einem Paket für besonders großen Spaß sorgt) und dann so lange benutzen kann wie er will. Diese Willensbekundung drückt man für nur ein Programm mit 24,99 € monatlich und für das komplette Programmpaket (bisher Master Suite) mit 61,49 € pro Monat aus. Vorausgesetzt natürlich, Kunde weiß schon, dass er 12 Monate lang will, denn sonst kostet das Abo für einen Monat (danach kündbar) die Kleinigkeit von 92,24 €.

Und während mir schon auf den ersten Blick das Messer aufgeht, hocken tatsächlich Menschen zu Hause vor ihren Rechnern und glauben, das sei doch ein faires Angebot. Schließlich kostet so eine Master Suite derzeit um 3500,– € und bedenkt man den zuletzt von Adobe fest eingeführten Produktzyklus von 24 Monaten, dann ist das ja günstiger als 24×61,49=1475,76 €. Und genau da sitzt die Widerwärtigkeit dieses perfiden Schritts, der schon viel früher beginnt und der für manche gar nicht sichtbar ist.

Speziell Nutzer des Flaggschiffs Photoshop haben die Probleme vielleicht gar nicht bemerkt, die Adobe mir als InDesign-Nutzer beschert hat. Photoshop-Dokumente sind in der Regel abwärtskompatibel. Wer also heute mit Photoshop CS6 arbeitet, sollte kaum Probleme haben, ein Bild (auch eines mit vielen Ebenen im Photoshop- oder TIFF-Format), in älteren Versionen zu öffnen. Möglicherweise bis herunter zur CS2 oder noch älter. Dasselbe gilt für Illustrator-Dateien, da Illustrator nach wie vor die Möglichkeit bietet, seine Dateien kompatibel bis herunter in die Version drei (nicht CS3, was etwa Versionsnummer 12 entsprechen dürfte, sondern drei wie 3) zu sichern. In beiden Fällen hat man in älteren Versionen eben bestimmte Werkzeuge nicht zur Verfügung. Dem ist nicht so in InDesign. InDesign-Dokumente waren nie ordentlich abwärtskompatibel! Speicherte man ein InDesign-Dokument in der CS3, ging es in der CS2 nicht auf – ein Austausch-Format von Adobe hat diese Lücke (eine Version abwärts) mehr oder weniger zuverlässig geschlossen. In dieses Format musste man das neuere Dokument exportieren und hoffen, dass es in der niedrigeren Programmversion einwandfrei aufging. Mir persönlich hat das mal schwarze Rähmchen um jeden Bildkasten beschert. Nicht sexy.

Und der Monopolist hat selbst diese dünne Abwärtskompatibilität mit seinen Produktzyklen ins Absurde überführt. Zum Einen hat sich auch das Austauschformat mit jeder Version geändert, sodass man z.B. keine Dokumente aus InDesign CS4 exportieren und in InDesign CS2 öffnen konnte. Und waren es von der CS4 zur CS5 noch 24 Monate, gab es nach weiteren 12 Monaten die CS 5.5. Und selbst von der CS 5.5 zur CS 5.0 waren InDesign-Dokumente nicht mehr abwärtskompatibel. Hat also ein kleiner Betrieb, innerhalb von 24 Monaten zwei InDesigen-Vollversionen gekauft, mussten Dokumente von der CS6 erst in die CS5.5 und dann in die CS5.0 gewandelt werden. Für „creative“ bleibt da ja schon bei all der Umwandlung kaum noch Zeit. Ach, und für jene, die nicht mit mir geplagt sind, sei dieses Bonbon noch nachgereicht: Es ist ja nicht so, dass InDesign dann ein Dialogfenster öffnet, in dem stünde „Dieses Dokument wurde mit einer neueren Version…“ oder „Dieses Dokument wurde mit Version CS6 von InDesign erstellt“. Nein. Stattdessen erhält man beim Öffnen eines neueren Dokuments in einer älteren InDesign-Version die Fehlermeldung: „Folgende Plug-Ins fehlen:…“. Das, wie gesagt, nur am Rande.

Aber dieses Bonbon und andere Fehler, die mir im Laufe meiner InDesign-Nutzung vor die Flinte geraten sind, machen eines deutlich: Die Produkte von Adobe sind nicht ausgereift. Immer wieder von Neuem nicht! Und nun will Diese Firma mindestens die drei Branchen – Print, Webdesign und große Teile der Videoproduktion – in die Cloud zwingen, ins Abonnement. Adobe lässt sich also ab sofort seine Betatests teuer bezahlen. Im Grunde stelle ich mir das vor wie bei Facebook: Man steht morgens auf und alles ist plötzlich anders – nur eben in teuer.

Ich darf mal erinnern: Als die CS5 in Deutschland eingeführt wurde, gab es keinen harten Absatzumbruch. Der war einfach defekt/verschwunden. Erst ein Patch hat das repariert. Damals sind ein paar frühe Umsteiger damit auf die Fresse gefallen, aber was macht man denn ab dem Sommer 2013, wenn so ein Fehler per automatischem Update mal eben so auf den Rechner gespült wird? Der Produktzyklus ist um, Adobe hat toooooooollle neue Funktionen in seine Programme implementiert, der Nutzer bekommt den Kram automatisch überschrieben und wenn Du dann in einem Forum liest, dass irgendwas nicht funktioniert, dann weißt’es wahrscheinlich schon selbst. Denn so ist es leider: Mit jeder neuen Funktion, die Adobe oben in seine Programme hineinkippt, fliegt unten ein Stück Produktionssicherheit raus. Und ich bin Reinzeichner – ich muss garantieren, dass ein Dokumente druckfähig ist, dass es produktionssicher ist. Wie sollte ich das, wenn mir unter’m Arsch weg das Werkzeug erneuert wird? Wenn Adobe die Creative Cloud durchsetzt und die ersten großen Agenturen draufspringen, dann kann es passieren, dass Du mit einem 12er-Schlüssel unters Auto abgetaucht bist und plötzlich einen 15er in der Hand hast und zwar mitten in der Reparatur!

Vielleicht aber – ja, die Liste der Bedenken ist lang – hast Du plötzlich auch gar keinen Schlüssel mehr in der Hand. Der magische Werkzeuglieferant hat nämlich versucht, per Internet zu prüfen, ob Dein Abo überhaupt noch oder wieder bezahlt ist. Hattest aber kein Internet. Bist Telekom-Kunde oder jemand hat die Leitung durchgesägt oder warst im Urlaub. Tja – und schwupps, isses weg, das Werkzeug. Und dann? Immerhin werden die Creative-Cloud-Programme auf Deinem Rechner regelmäßig mit „nach Hause“ telefonieren und gucken, ob auch alles bezahlt ist. Hoffentlich verpasst man den Zeitpunkt nicht. Oder den, zu dem das Update eingespielt werden soll. Und wenn man ihn nicht verpasst, den Zeitpunkt, dann hat man hoffentlich nicht gerade ein sensibles Dokument geöffnet. Am besten ein bereits vom Kunden freigegebenes, das in den Druck soll und das plötzlich iiiiirgendwie anders aussieht, in der neuen Version des €€ – Entschuldigung – CC-Programms. Und was eigentlich, wenn Adobes Server mal ausfallen? Ist ja schön, dass die Programme tatsächlich noch lokal liegen und nicht im Browser oder sonstwie in der Cloud. Aber was hilft’s dem armen Nutzerlein, wenn das Programm lokal sagt „ich bin nicht bezahlt, ich streike“?

Es gibt also schon technisch eine Reihe offener Fragen, aber damit ist es leider nicht getan. Ich darf anmerken, dass sich wohl keine Firma der Welt sonst, einen derart bornierten Schritt erlauben könnte. Adobe ist in der glücklichen Lage, dass einige seiner Produkte als alternativlos betrachtet werden – Photoshop z.B. Und nur deshalb ist es überhaupt denkbar, Kunden einen solchen Schritt aufzuzwingen. Und ist dieser Schritt einmal gemacht, ist er endgültig und das ist die weitere große Frechheit dabei. Wenn schon heute Dokumente der aktuellen Suite nicht in der von vor 12 Monaten aufgehen, dann erachte ich es als sicher, dass Dokumente aus der CC auch nur noch in den CC-Versionen geöffnet werden können. Aber wie sollte man dann jemals kündigen? Eine CC-Kündigung bedeutet, dass alle darin erstellten Dokumente nicht weiter bearbeitet werden können. Und wenn nun aber zur Bearbeitung der Kreationen das Abo nötig ist, und in 1–2 Jahren der Umstieg auf die Cloud vollzogen ist (so orakelt es jedenfalls der gierige Monopolist), was kostet das Abo eigentlich dann?

Wenn tatsächlich der Übergang, den Adobe erhofft, stattgefunden haben wird, dann diktiert der Monopolist fröhlich den Abopreis. Dann ist’s plötzlich vielleicht gar nicht mehr günstiger als eine Boxversion, die es ja nicht mehr gibt. Und erst wenn sich genug findige Drittanbieter gefunden haben, die die kryptischen Formate von Adobe wieder in etwas anderes verwandeln können, besteht überhaupt die Chance, kreativ zu bleiben, ohne dafür potenziell ein Vermögen zu bezahlen. Ein Vermögen dafür, dass niemand weiß, welches Programm als nächstes einstellt, welcher Fehler mit dem nächsten Update kommt oder welcher Standard elementar verändert wird.

Ich werde auf diesen Zug nicht aufspringen. Und ich fordere jeden anderen Nutzer der Creative Suite dazu auf, es ebenfalls nicht zu tun. Die aktuelle Creative Suite ist fabelhaft und das wird sie auch in fünf Jahren noch sein. Wir müssen nicht jeden Produktzyklus mitfeiern – er ist ein Konstrukt, um Geld zu verdienen, nicht um Nutzer glücklich zu machen. Diese „Cloud“ ist keine. Sie ist ein dreistes Abo. Und keines der Programme von Adobe ist alternativlos. Es gibt GIMP, es gibt Pixelmator, es gibt QuarkXPress, es gibt viele weitere. Mittlerweile kann man sogar online Fotos bearbeiten, bei erstaunlichem Funktionsumfang: http://pixlr.com/editor/. Und wo ich gerade bei Links bin: Wer die Schnauze ähnlich voll hat wie ich, kann mehr tun, als das zu äußern. Es gibt eine Online-Petition gegen das Abomodell: https://www.change.org/petitions/adobe-systems-incorporated-eliminate-the-mandatory-creative-cloud-subscription-model

Wo sind eigentlich die Kartellwächter und EU-Kommissare, wenn man sie braucht? Genmanipuliertes Olivenöl beim Italiener nebenan vom Tisch schlürfen?

Ein Gedanke zu “Abodobe – die Abofalle

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