Grafische Umsetzung des Titels "Rinse & Repeat"

Same old shit hits the fan

Da sind wir also wieder: Am 2. November geht es bis Ende November in den so genannten Wellenbrecher-Shutdown. Und wenn man jedwede Klein- und Kneipenkultur zerstören und noch steigende Mengen an hirnlosen Schwurblern erschaffen will, dann hat man alles richtig gemacht. Das Virus begleitet uns bald ein Dreivierteljahr und die Antwort darauf ist mit der aus dem März/April fast identisch. Wir hoffen, es war ein erholsamer Schlaf.

Ich habe unsere Artikel zu Corona aus April und Juni noch einmal überflogen. Ganze Absätze ließen sich dort kopieren und hier einsetzen. Offenbar genügt dem ach so effizienten Kapitalismus und seiner parlamentarischen Demokratie ein halbes Jahr nicht, um Lösungen zu entwickeln. Aber es würde weder unserer Wut, noch der Dummheit der Verantwortlichen gerecht, wenn wir einfach auf diese älteren Artikel verwiesen. Im Gegenteil: Dass wir erneut da sind, wo wir jetzt sind, verdient eine neuerliche, durchaus ungehaltene Betrachtung.

The beauty will yet unfold
Und dabei ist (Stand heute, 30.10.) der Schwachsinn noch gar nicht vom Stapel. Wenn er es ab Montag ist, wird sich seine ganze Schönheit erst entfalten. Alle Maßnahmen zielen erneut aufs Private, auf Spaß und Freizeit. Sie sind dazu angetan, die Kleingastronomie und -kultur endgültig zu pulverisieren und führen somit zu großem und verständlichem Unmut. Sicher ist, es wird eine Klagewelle gegen die Maßnahmen geben. Und das ist richtig so, denn die Maßnahem sind willkürlich und tendenziös. Leider werden erfolgreiche Klagen dazu führen, dass die Solidarität der Betroffenen untereinander weiter schrumpft.

Apropos Solidarität
Von Nix kommt nix, heißt es ja so schön und dass die Welt nicht in der Lage ist, angemessen solidarisch mit dem Corona-Virus umzugehen ist die Quittung dafür, dass uns der Kapitalismus jahrzehntelang eingebleut hat, dass nur jemand ist, der etwas hat. Wenn alles zum Geschäft verkommt und wenn es stets darum geht, möglichst zu profitieren, dann existiert keine Solidarität – und die stellt sich auch nicht binnen dreier Tage ein. Mit der Konkurrenz in der Muttermilch hat dieses System die Menschen geschaffen, die selbst in Anblick einer globalen Pandemie noch auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind. Herzlichen Glückwunsch.

Systemfrage
Und damit sind wir beim Kern des Problems: Der Kapitalismus kann diese Krise nicht bewältigen. Wir alle wissen, dass dieses Wirtschaftssystem rückwärtsgewandt, ausbeuterisch, menschenverachtend, korrupt, und Status-Quo-besessen ist. Und genau deshalb fällt diesem System auch nichts ein, als die einzig ihm bekannte Medizin zu verabreichen – immer und immer wieder. Wollte der Kapitalismus Covid-19 besiegen, müsste er sich abschaffen. Das wird er nicht. Überraschung. Ein System, in dem die Produktionsmittel ungerecht verteilt sind, und das selbst in der Krise an dieser Verteilung festhält ist gar nicht in der Lage zu einer angemessenen Reaktion. Der kapitalistischen Welt fällt nichts anderes ein, als Airlines zu retten und Pfleger_innen zu applaudieren. Erneut: Herzlichen Glückwunsch!

Badabäng-Badaboom-Maßnahmen
Da sind wir also wieder. Kneipen, Restaurants, Theater, Kinos, alle machen wieder zu, weil die Verantwortlichen binnen eines halben Jahres keine anderen Antworten entwickelt haben, als die, die alle schon kennen. Aus antikapitalistischer Sicht ein Treppenwitz, aber selbst innerhalb des Systems betrachtet eine Bankrotterklärung. Ein ganzes halbes Jahr genügte nicht, sich auf die zweite Welle vorzubereiten, die alle schon im April herbeischworen. Wir sind immer noch genau da: Zu wenige Personal für die theoretisch freien Intensivbetten, zu wenig Personal zur Kontrolle der Einhaltung der Maßnahmen, zu wenig Personal in den Gesundheitsämtern, um die Infektionswege zu verfolgen.

Es ist lächerlich. Und das systemimmanete Versagen der Verantwortlichen wird nun – erneut – auf jene abgewälzt, die sich Arme und Beine ausrissen, um den Hygieneregeln zu entsprechen. Es werden genau jene sanktioniert, die alles richtig gemacht haben, weil nie genug Personal und Wille da war, jene zu sanktionieren, denen es eh am Arsch vorbei ging und geht.

Vielleicht / vielleicht nicht
Wie gesagt: Selbst innerhalb des Systems betrachtet, ist armselig, was jetzt geschieht, denn es gibt keine Basis. Die Zeit zitiert die Kanzlerin so: „Derzeit könnten nur noch 25 Prozent der Infektionen rückverfolgt werden, 75 Prozent aber nicht mehr. Daher könne auch die Behauptung nicht mehr aufrechterhalten werden, dass bestimmte Bereiche keine Infektionstreiber seien.“ Wir wissen also – erneut – dass wir nichts wissen, schließen aber das Kulturelle und den Spaß, lassen die Schulen und Kitas offen und vertrauen darauf, dass Firmen ihre Arbeitenden eigenverantwortlich schützen. Was soll schon schiefgehen?

Same same, not even different.
Was weiterhin völlig fehlt, ist eine umfassende Aufklärung darüber, wie sich das Virus denn nun verbreitet, welche Konsequenzen es tatsächlich haben müsste, wenn wir und unsere Kleidung diesen Aerosolen ausgesetzt sind. Genügt Händewaschen tatsächlich? Genügen Masken tatsächlich? Ist es noch immer nicht möglich, präziser zu beschreiben, wo das Virus sitzt, wie es – auch über Oberflächen – übertragen wird und bei welchen Gelegenheiten besonders zuverlässig? Offenbar nicht, denn – entschuldigt, wenn wir uns wiederholen, aber es fühlt sich an, wie in einer Zeitschleife – trotz eines halben Jahres zum Üben, schafft es dieses unglaublich effiziente System nicht, 75% der Infektionen zurückzuverfolgen.

Also setzen wir (na, wir nicht, uns fragt ja keins) einfach die Gesundheit der Schüler_innen und ihrer Angehörigen aufs Spiel, gehen davon aus, dass in Schlachthöfen und anderen Ausbeutungsbetrieben alles total super ist und schließen alles, was Spaß macht, damit offenbar nicht „systemrelevant“ und also verzichtbar ist. Welche unmittelbaren Folgen das für das Leben der Kulturschaffenden und Wirt_innen hat, bedenkt niemand. Und welche langfristigen Folgen es auf die Psyche von Menschen hat, die kaum noch wissen, wann sie nun was und mit wem noch dürfen, wollen wir uns kaum ausmalen. Und weil wir den Kapitalismus auch in den kommenden Monaten und Jahren nicht überwinden werden, gibt’s den nächsten Shutdown im März. Läuft.